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The Headwinds - Handlung

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Zladune

27, Weiblich

  11. Ghostwriter

Neuling

Beiträge: 1161

Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 10.02.2023 01:15

Licht umhüllte ihn, als Nirah ihre Hand auf die seine legte. Hell. Brennend. Stellenweise schwappte das flammende Rot sogar in sein eigenes, inzwischen stark gedimmtes Blau über. Und doch nahm er dies alles dankbar in Kauf. Selbst das schmerzhafte Pulsieren seiner Seite, das mit jeder Berührung einherging. Er hätte in diesem Moment vieles getan. Allein um wenigstens ihre Konturen erahnen zu können. Sein Halt, sein einziger Orientierungspunkt in völliger Dunkelheit, die mit farbigen Schlieren durchsetzt war, wo keine sein dürften. Nur als die Heilerin ihn stützte und leitete, schien sich der Nebel für den Hauch eines Momentes zu lichten.

Instinktiv griffen seine Finger bereits beim ersten Mal nach ihrem Handgelenk, umschlossen es fest mit so viel Kraft, wie er gerade zustande war aufzubringen. Als hätte er Bedenken, dass die Hand unter ihm sofort verschwinden könnte. Oder sich die Person neben ihm bei der kleinsten Berührung einfach in Luft auflösen würde. Eine mehr als hinderliche Reaktion, zumindest wohl für seine Heilerin, doch er konnte sich dem nicht erwehren. Erst als ihr Puls spürbar gegen seinen Daumen schlug und er den stetigen Energiestrom unter seinen Fingerkuppen wahrnehmen konnte, lockerte Notos seinen Griff zunehmend, bis der Druck kaum mehr vorhanden war.

Solange sie blieb, war alles in Ordnung. In diesen Momenten gab er sich gerne der Ruhe hin, ließ sich von der tiefsitzenden Erschöpfung treiben, die ihn unaufhörlich an die Grenze seines Bewusstseins zerrte. Und wann immer Nirah ihm doch ihre Hand entzog... war Jasper zur Stelle. Der kleine Drache wuselte unentwegt um die beiden Menschen herum, balancierte auf der Bettkante und machte lediglich genug Platz, damit sich der Ritter hinlegen konnte. Oder damit ihm die Heilerin Wasser einflößen konnte. Sonst aber blieb das Federbündel in unmittelbarer Nähe. Wartete, bereit dazu, sofort den Platz mit der Heilerin zu wechseln, wenn sie von seinem Partner abließ. Noch im selben Augenblick huschte das Federbündel dann jedes Mal wie ein geölter Blitz zu seinem Gefährten, sprang auf den Bauch und zog mit den Zähnen den Ärmel näher zu sich. Nur um sich anschließend mehr oder minder auf Notos' Arm zu legen. Dabei fixierten die goldenen Augen unaufhörlich die rothaarige Frau, verfolgten aufmerksam ihr Tun und Handeln.

Dieses Spiel wiederholte sich... mehr als nur einmal. Beinahe hätte es sich zu einem gewohnten Trott in dieser Nacht entwickeln können. Hätte Nirahs Körper sie nicht selbst irgendwann zur Pause gezwungen. Jasper verharrte dennoch sitzend auf seinem Partner. Solange er dies tat, konnte dieser schließlich nicht mehr die Decke von sich werfen. Wenngleich fraglich war, ob er dies wirklich noch tun würde. Seit einer geraumen Weile regte sich Notos kaum. Das langsame, rhythmische Heben seines Brustkorbs bestätigte, dass auch er den Kampf gegen die Müdigkeit an irgendeinem Punkt verloren hatte. Einzig ein Mal kam noch ein wenig Bewegung in ihn rein. Nicht viel Zeit war vergangen, seitdem sich Nirah zur Nachtruhe begeben hatte. Genug jedoch, um Notos aufgrund ihrer fehlenden, unmittelbaren Nähe halbwegs die Augen öffnen zu lassen. Ein Blick zu Seite reichte diesmal aus, um die groben Konturen des glühenden Lichtes zu erahnen. Seine Hand rutschte von seinem Bauch, nah genug zur Bettkante, damit seine Fingerkuppen in den äußeren Rand der Aura eintauchen konnten – und dies allein war auch bereits genug, um ihn abermals in einen ruhigen Schlaf verfallen zu lassen.

Jasper war der erste, der die Morgensonne grüßte. Der gefiederte Drache hob bei dem Klang von dumpfen Schritten, die sich zu ihnen näherten, sofort den Kopf. Angespannt bewegten sich die kleinen Ohren hin- und her, bevor er sich abrupt aufrichtete und keine Sekunde später mit einem Satz hinauf zum Schrank flog. Nicht viel später ging mit einem leisen Ächzen die Tür auf und ein junger Bursche trat ein. Jaspers Federkleid plusterte sich auf, als er die Konversation zwischen Nirah und dem Fremden verfolgte – den sie zwar kannte, jedoch offensichtlich nicht mochte. Er teilte ihre Meinung. Insbesondere dann, als dieser seinem Gefährten gefährlich nahe kam...

Die Krallen bohrten sich ins Holz unter ihm, doch die Heilerin griff glücklicherweise vor ihm ein, um den anderen Menschen von seinem Partner weg und sogar aus dem Zimmer rauszudrängen. Zeitgleich mit dem lauten Knall, welcher den Abschied des Mannes ankündigte, landete der Drache auf dem Boden. Bewegte sich lauernd auf die Tür zu. Angriffsbereit, begleitet von einem unterschwelligen, drohenden Knurren. Stoppte kurz daraufhin, hielt witternd die Nase in die Luft – und richtete sich mit einem Mal stocksteif auf. Drehte sich um, nur um mit den Hinterpfoten abfällig über die Dielen zu scharren. Bevor er mit einem abschätzigen Blick Nirah musterte. Und schließlich mit erhobenen Schweif davontrippelte.

Sein Weg führte ihn ohne Umschweife zu dem geflochtenen Behälter, welchen der Fremde mitgebracht hatte. Jasper starrte für einen Moment den Inhalt in diesem nieder, ehe sein gefiederte Kopf im Korb verschwand. Als er wieder auftauchte, hielt der Drache etwas, was wie ein kleiner Laib Brot aussah, zwischen den Zähnen gefangen. Anschließend breitete er seine Schwingen aus und glitt im lautlosen Flug vor die Füße der Heilerin. Vor welchen er auch seine frisch gefangene Beute niederlegte. Für einen weiteren Moment starrte er die Rothaarige nieder, mit einer stummen Aufforderung in den Augen. Dann drehte er sich um, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen und tapste erneut auf das Bett zu. Hüpfte vorsichtig auf seinen Partner drauf und beschnupperte intensiv dessen Seite, an welcher sich gestern noch ein Geflecht aus Gift durch seine Haut gezogen hatte. Die flauschigen Öhrchen zuckten in die Höhe. Jaspers Aufmerksamkeit ruhte für eine Weile auf der ruhenden Gestalt seines Gefährten, welcher allen fremden Präsenzen und lauten Geräuschen zu Trotz keine Absicht zum Aufwachen zeigte. Und legte sich schließlich einfach nahe dessen Hand nieder, die Pfoten unter dem gefiederten Leib versteckt. Falls sein Freund noch Zeit für die Genesung benötigte, dann würde er ihm diese nicht nehmen. Sondern weiterhin über ihn wachen. Allein. Ohne fremde Menschen, die ihn argwöhnisch betrachteten. Obwohl... die goldenen Augen schweiften zu Nirah rüber. Nun gut, ein weiteres Wesen würde er hier noch dulden.

Als Notos wieder erwachte, strömte längst warmes Licht durch die Fenster rein. Doch diesmal war es keine Berührung, die ihn weckte. Oder, nicht nur. Es war auch der warmer Atem, der die empfindliche Haut an seiner Halsbeuge streifte. Erst daraufhin spürte er das familiäre Abtasten seiner Stirn. Das matte Lächeln hatte sich auf seine Lippen geschlichen, noch bevor er die Augen vollständig geöffnet hatte. Sofort schob sich das Bild einer sandfarbenen Pfote vor sein Gesicht, gefolgt von einem Blick, der ihn forschend betrachtete. „Morgen, Jasper", entwich es ihm schlaftrunken, die Stimme dunkel und rau. Das Schmunzeln, welches diesen Gruß begleitete, war dafür umso sanfter.

 

Der kleine Drache machte erst einen überraschten Satz nach hinten. Deutete dann ein paar freudige, flatternde Schläge seiner Schwingen an. Bevor er sah, wie sein Gefährte auffordernd seine Hand hin- und herbewegte. Die Pupillen des gefiederten Wesens vergrößerten sich – ehe er ausgelassen die Hand ansprang. Die Vorderpfoten in den Unterarm gekrallt, versuchte er immer wieder einen der Finger zu erwischen, die seinen weichen Unterleib kraulen wollten.

Notos rang mit einem müden, heiteren Grinsen, als sein Partner ihm vorsichtig in den Finger biss. Jasper war heute verspielter gelaunt als gewohnt. Aber das änderte wohl leider nichts an der Tatsache, dass er schon längst hätte aufstehen sollen. Eigentlich sollte man meinen, die Zeiten, in denen er noch regelmäßig zum Morgenappell erscheinen musste, hätten sich tiefer in sein Gehirn gebrannt. Notos versuchte sich mit einem Ruck aufzurichten – und verzog sofort das Gesicht. Gut, das war vielleicht keine so gute Idee gewesen... Die Welle des Unwohlseins, die über ihn hereinbrach, hätte ihn fast erneut ins Bett gedrückt. Jede Muskelfaser sträubte sich gegen diese abrupte Bewegung, antwortete auf diese mit einem scharfen Brennen. Es brauchte ein paar tiefe Atemzüge, bis er verstand, weshalb dem so war. Der Grund für seinen Aufenthalt in diesem kargen, ihm nicht vertrauten Raum. Seine Mission. Die Konfrontation. Der Hinterhalt gefolgt von seinem Absturz in dieses unbekannte Gebiet. Fremde Wälder und der Zusammenstoß mit...

Notos drehte seinen Kopf zur Seite – und spürte die feurige Aura intuitiv schneller, als er den dazugehörigen Rotschopf wahrnehmen konnte. Verschwommener als sonst, aber erkennen würde er sie wohl überall. Er blinzelte irritiert. Hob dann mit einem kleinen Lächeln befangen die Hand: „Morgen, Nirah".



Antworten Zuletzt bearbeitet am 10.02.2023 14:28.

Saphyr

26, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 06.02.2023 04:19

Wer ist Neela, dachte sie irritiert.
Als Notos endlich etwas von sich gegeben hatte, hatte Nirah in ihren Bewegungen gestoppt und sich näher zu ihrem Patienten gebeugt. Er war sehr leise gewesen, nur ein einziges Wort. Ein Name, der ihr nicht bekannt vorkam. Der Ausdruck von grimmiger Entschlossenheit auf ihrem Gesicht hatte sich nur noch tiefer eingegraben. Wo auch immer der Geist ihres Patienten weilte, es war nicht die Gegenwart. Gab es jemanden, der informiert werden muss, sollte er ... Nein. Er wird nicht sterben, nicht wegen eines kleinen Fiebers. Ihre Augen verweilten unentwegt zwischen sorgenvoll zusammengezogenen Augenbrauen auf Notos' Gestalt und den Auswirkungen seines "kleinen" Fiebers. Nicht, solange ich da bin, jedenfalls.
Während sie weiterarbeitete, drängten sich neue Überlegungen in ihren Kopf. War sie seine Frau? Hatte jemand wie Notos eine Frau? Die Vorstellung erschien ihr seltsam abwegig, obwohl es keinesfalls unmöglich war. Hatte er Familie, Freunde, die in diesem Moment auf ihn warteten? Vielleicht, es wäre ungewöhnlich, wenn nicht. Selbst wenn, ihr wäre es unmöglich irgendetwas anderes zu tun, als abzuwarten. Sie wusste noch immer nicht, woher er eigentlich kam. Auch wenn er ihr den Namen des Ortes verraten hatte. Aber er würde nicht sterben. Dessen war sie sich sicher. Sie hatte Sterbende gesehen, begleitet. Ein Heilritual brachte im Normalfall niemanden um. Keinen jungen und gesunden Krieger. Es waren lediglich ihre Gedanken, die alle möglichen Szenarien hintereinander abspielten.

Warmes, fast heißes Wasser rann ihr über die Finger, als Notos sich weigerte, die Medizin zu trinken. Auch ihre Versuche, ihn zu einer liegenden Position zu überreden, blieben wirkungslos. Er verschloss krampfhaft den Mund, zuckte mit dem Kopf hin und her, floh regelrecht vor der Schüssel. Alles andere entlockte ihm nicht den Hauch einer Reaktion. 
Frustriert zog sich von ihrer über ihn gebeugten Position zurück, ließ sich auf den Hocker fallen und stellte die Schüssel für einen Moment neben sich ab. Nirah musterte ihren Patienten stumm und gab ein hörbares Seufzen von sich. Wieso machst du es mir so schwer? 
Plötzlich erhaschte sie den Blick zweier glänzender Augen, die sich in ihre zu bohren schienen. Bleib. Bitte. Worte, verständliche Worte! Sie rückte ihren Stuhl wieder ein wenig näher zu Notos und beugte sich abermals zu ihm. "Ich gehe nicht fort", antwortete sie mit weicher Stimme. "Ich bleibe bei dir. Bis es dir besser geht." Sie brachte ihm ein aufmunterndes Lächeln entgegen. Doch seine Lider flackerten bereits und der Moment der Klarheit verblasste. Nirah blieb, wo sie war und beobachtete ihn für eine Weile. Er schien etwas ruhiger geworden zu sein. Und es war ein gutes Zeichen, dass er mit ihr gesprochen hatte. Selbst wenn er offensichtlich nicht wirklich bei Bewusstsein war. Doch er schien sich nun immer wieder zurück zu kämpfen. Mehrmals glaubte sie, er sähe an ihr vorbei, schloss aber seine Augen direkt danach wieder. 

Vielleicht hatte sie jetzt eine bessere Chance ihm die Medizin einzuflößen und seine Position zu ändern. Abermals streckte sie die Hand aus und legte sie auf Notos' Stirn. Dieses Mal nicht, um seine Temperatur zu prüfen. Oder eher, nicht nur. Sie wollte ihn auch dabei unterstützen, etwas wacher zu werden. Beiläufig strich sie bei der Gelegenheit ein paar an seiner Haut klebenden Haare aus dem Weg und versuchte gleichzeitig, mit ihm zu sprechen. Er zuckte unter ihrer Hand zusammen. Kurz darauf schlug er tatsächlich die Augen auf. Er schaffte es kaum, sie zu fokussieren, aber das war eindeutig ein Fortschritt. "Du musst die Medizin trinken." erklärte sie ihm und griff mit der freien Hand nach der Schüssel mit der warmen Flüssigkeit. Beinahe erschrak sie, als eine viel zu heiße Hand plötzlich ihren Arm festhielt. Schaffte es, nichts zu verschütten und erstarrte stattdessen. Und dann ... er trank endlich!
Etwas in ihr atmete erleichtert auf. "Sehr gut", lobte sie ihn. "Und jetzt musst du dich hinlegen. Ich muss an deine Beine. Ich helfe dir, dich abzukühlen. Es wird gut tun." wiederholte sie sinngemäß die Anweisungen, die sie zuvor schon getätigt hatte. 

Das Gefühl, dass er sie wieder nicht verstanden hatte, beschlich sie. Nirah lehnte sich zurück und entschloss sich schließlich, ihm keine Wahl mehr zu geben. In dem Augenblick sprach er mit ihr. Er hat es verstanden!
"Ja genau. Wie bei der Heilung." bestätigte sie ihm. Er regte sich und schien sich langsam aus seiner Starre zu lösen. Ihr Zögern dauerte nur eine Sekunde, als er nach ihrer Hand bat. "Natürlich", sagte sie und streckte sofort ihre Hand nach seiner aus und dann direkt auch noch die andere. "Okay, versuch dich jetzt hinzulegen. Ich hab dich, ja? Jasper, mach bitte Platz."

Der Vorgang war ... umständlicher als erwartet. Doch schließlich lag Notos auf dem Rücken, die Beine ausgestreckt, so wie sie es beabsichtigt hatte. Nirah entzog ihm ihre Hände und warf die Decke über ihn. Vielleicht würde sie endlich auf ihm bleiben und ihren Zweck erfüllen können. Obwohl Notos' gefiederter Begleiter gute Arbeit geleistet hatte, wie sie hatte feststellen müssen. 
Sie kündigte noch einmal an, dass sie seine Beine aufdecken würde und machte sich dann ans Werk. Sie schlug die Decke ein Stück zurück und schob den weichen Stoff der Hosenbeine nach oben. Zum Glück trug er die Kleidung des Dorfes und nicht seine eigene, robustere ... 
Mit geübten Handgriffen schlang sie die kühlen Bandagen um seine Waden und darum herum noch eine weitere, trockene Schicht. Dann deckte sie ihn zu und hoffte, er würde sich nicht ständig aus der unterstützenden Wärme hervor kämpfen. 

Es gab nichts, was sie sonst noch hätte tun können. Notos schien irgendwann in eine Art ruhigen Schlaf zu fallen. Davor hatte sie es noch mehrmals geschafft, ihm mehr Flüssigkeit zu verabreichen, indem sie ihm aufhalf, ihn mit einem Arm stützte und mit dem anderen die Schüssel hielt. Ein paar Mal hielt sie eine seiner Hände, weil es ihn zu entspannen schien. Er kooperierte ... größtenteils. Zumindest deutlich mehr als die ganze Zeit zuvor. Später ließ sie ihn damit zu Frieden, sodass er zur Ruhe finden konnte. Dafür tauschte sie mehrmals die kühlenden Wickel gegen frische aus, bis sie entschied, dass seine Temperatur sich stabilisierte. Sie ging nur einmal nach draußen, um mehr Wasser zu holen und Holz nachzulegen. 
Den Rest der Zeit wartete sie. Beobachtete. Kämpfte gegen ihre immer schwerer werdenden Lider an, gegen den Sog, der sie selbst in die Dunkelheit ziehen wollte. 

Schlussendlich - Notos Atem ging inzwischen gleichmäßig und ruhig - gab sie regelrecht unfreiwillig ihrer Erschöpfung nach. Bevor sie vom Stuhl fiel. Schwerfällig ließ sie sich zu Boden gleiten und lehnte sich mit dem Rücken an das Bett. Ein unruhiger Schlaf übermannte sie, aus dem sie immer wieder hochschreckte, sich davon überzeugte, dass ihrem Patienten gut ging, um direkt wieder in sich zusammenzusinken. 

Sie musste doch eine längere Zeit am Stück geschlafen haben, denn ein Geräusch weckte sie. Zuerst konnte sie es nicht einordnen. Dumpf. Wie ein Klopfen. Nein ... Schritte. Wie spät war es? Ein leises Knarzen erklang, das Klopfen kam näher. Verharrte kurz. "Sieh an. Da seid ihr." Ein leises Kichern.
Nirah sog scharf die Luft ein, als plötzlich die Stimme in unmittelbarer Nähe erklang und sie riss orientierungslos die Augen auf. "Ah, du bist wach", bemerkte der Mann mit einem Hauch von offensichtlicher Belustigung. "Ich habe euch Frühstück gebracht. Weißhaars Anweisung."
Verspätet verdunkelte sich Nirahs Mine, als sie erkannte, wer im Zimmer stand. "Devon." knurrte sie den anderen Wächterlehrling an. Eigentlich war er kaum mehr als ein Junge. Der verzog nur den Mund zu einem verabscheuungswürdigen Grinsen und stellte einen Korb auf die Ablage über ihr. "Nicht, dass ich dich sonst mit meiner Anwesenheit belästigen würde, versteht sich." fügte er in freundlichem Klang hinzu.
Hastig zog sich Nirah auf Beine, sodass Devon nicht länger über ihr thronte. Devon hatte sich derweil an das Bett gestellt und musterte den schlafenden Notos abschätzig. 
"Das ist also der Fremdling ... Du weißt schon, dass es nicht von uns verlangt wird, bei unseren Patienten zu schlafen" gab er süffisant von sich und schenkte ihr einen wissenden Blick. Nirah funkelte ihn nur verständnislos an. "Vielleicht sollten wir anfangen, Wetten abzuschließen, wie er es geschafft hat ...", murmelte er gut hörbar.

"Raus!" zischte sie und drängte ihn mit vor Wut lodernden Augen zur Tür. Weg von Notos regloser, hilfloser Gestalt. Devon war genauso wenig ein Krieger wie sie. Sie würde es darauf ankommen lassen. Doch er ließ sich hinausschieben, ohne Widerstand zu leisten. Er blieb lediglich vor der Tür stehen und lächelte sie an. "Nichteinmal ein Wort des Dankes für das Essen. Typisch. So wird das nie etwas." tadelte er sie spottend. 
Dann fiel die Tür krachend vor seinem zufriedenen Gesicht zu. 


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Antworten Zuletzt bearbeitet am 06.02.2023 14:53.

Zladune

27, Weiblich

  11. Ghostwriter

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 24.01.2023 13:25

Jasper sprang aufgeschreckt zur Seite, kaum dass ihn die fremden Finger berührten. Unterdrückte dabei ein Fauchen, gab lediglich mit aufgeplusterten Federn einen dunklen, brummenden Ton von sich. Bevor er mit einem Schütteln sein Gefieder glättete, um dann in eine statuenähnliche Position zu verfallen. Selbst als Bewegung in die rothaarige Menschenfrau kam und kurz danach das Mondlicht seine Konturen umspielte, löste es nicht die kleinste Rührung in dem Wesen aus. Goldenen Augen fixierten die der Heilerin. Regungslos. Auffordernd. Er war nicht gekommen, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Von Belang war gerade einzig und alleine...

Notos! Die Ohren des kleinen Drachen zuckten bei dem Klang des vertrauten Namens in die Höhe. Die Intensität wich ein wenig aus seiner Haltung, als Nirah den Grund für sein Kommen zu verstehen schien. Und keinen Moment später deswegen aus dem Raum stürmte. Dass er ihr folgen solle, musste man Jasper nicht zweimal sagen. Er war der Heilerin dicht auf den Fersen, stoppte zeitgleich mit ihr am bereits ausgebrannten Lagerfeuer – doch im Gegensatz zu ihr eilte er daraufhin nicht in das Zimmer seines Partners zurück. Sondern starrte mit schiefgelegenem Kopf die heiße Glut in der Asche an. Die rothaarige Frau hatte Reisig und kleinere Äste drauf geworfen. Das kannte er. Allerdings wehten Menschen normalerweise noch etwas Luft rein, um das gewünschte Feuer schneller zu entfachen. Würde er helfen können, wenn...?

Sein Blick glitt zu der Tür, in welcher die Heilerin verschwunden war. Ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor er zurück zur Feuerstelle schaute. Dann breitete er seine Flügel aus und versuchte mit ein paar umständlichen Schlägen seiner Schwingen die Flammen zu schüren. Die Bewegungen geprägt von äußerster Behutsamkeit und Vorsicht, um die Glut nicht zu ersticken. Als sich das rote Flackern und Lodern ins Holz fraß und es langsam in Brand setzte, ließ Jasper von seinen Bemühungen ab. Drehte sich abrupt um und machte sich mit schnellen Schritten zu seinem Gefährten zurück.

Unterwegs begegnete er Nirah. Keiner der beiden Wesen schenkte dem anderen jedoch sonderlich hohe Beachtung. Der gefiederte Drache verließ sich inzwischen völlig auf seine Instinkte. Und diese teilten ihm mit, dass auf die Heilerin in diesem Fall Verlass war. Sie würde seinen Partner nicht im Stich lassen. Durfte sie einfach nicht. Vor allem, da ihn seine Intuition ebenfalls davor warnte, dass sich sein Gefährte allein wegen ihrem Beistand bei weitem nicht in Sicherheit befinden würde...

Seine Befürchtungen verstärkten sich sofort, als ihn bereits an der Türschwelle stickige, warme Luft begrüßte. Der muffige Geruch der Krankheit hatte sich inzwischen in jeder Ecke des Zimmers festgesetzt, haftete insbesondere an dem weißhaarigen Ritter - dessen Zustand sich seit seiner Abwesenheit nicht verbessert hatte. Im Gegenteil. Das Gesicht verzogen, die Augen fest zusammengekniffen, schien sein Gefährte nur noch mehr in sich zusammengesunken zu sein. Er wirkte unruhig. Als würde er gegen einen nur für ihn sichtbaren Gegner ankämpfen.

Jasper betrachtete seinen Partner sichtbar angespannt. Er mochte das nicht. Ganz und gar nicht. Die zunehmend schlechtere Verfassung seines Gefährten. Seine völlige Hilflosigkeit. Es erinnerte ihn an damals. Er wollte das nicht nochmal erleben. Und deswegen... abermals zuckten die Ohren des kleinen Drachen, als Nirah den Raum betrat. Verfolgte mit scharfem Blick, wie sie den Ritter abermals in die Decke wickelte, die Notos noch vor wenigen Momenten erfolgreich bezwungen hatte – eine Schlacht, die er in wenigen Minuten wohl auch erneut gewinnen würde. Währenddessen versuchte sie immer wieder, ihm Wasser einzuflößen. Erfolglos, soweit er beurteilen konnte. Trotzdem setzte sie sich jedesmal erneut zu ihrem streng riechenden Stöcken und arbeitete weiter. Beharrliches Ding. Sie ließ sich wohl nicht entmutigen, verfolgte ihre Vorhaben bis zum Ende? Vielleicht sollte er das auch tun. Und mit diesen Gedanken verließ Jasper seine beobachtende Stellung und blieb von nun dicht bei seinem Partner. Legte seine Pfote auf den Arm seines Gefährten, wenn er sich abermals unruhig zu regen begann. Zog ihm mit den Zähnen wieder die Decke über den Körper, wenn er sich doch wieder freizukämpfen schaffte. Und verharrte ansonsten mit einer besitzergreifenden Geste beschützend direkt an seiner Seite, den Kopf auf den Beinen des Ritters abgelegt. Hoffentlich würde es ihm bald besser gehen....

Die Macht des Giftes hatte Notos hingegen fest im Griff. Ab und an drängten sich Fragmente der Realität in sein Bewusstsein. Und mit ihnen kamen Stimmen. Verschwommen. Undeutlich. Viel zu laut, viel zu nah. Alles war viel zu nah. Irgendetwas presste sich an seinen Körper, hüllte ihn vollständig ein. Hinderte ihn daran, sich zu bewegen. Zwängte ihn ein. Je mehr er sich dagegen zur Wehr setzte, umso mehr schien es ihn zu umschlingen. Das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer. Doch trotz allem nahm das einfach kein Ende. Es blieb lediglich die Hitze. Die verdammte Hitze, die ihn regelmäßig in Wogen überrollte.

Schwach. Dieses Mal hörte er die Stimme klar und deutlich. In ihr schwang eine bekannte, kühle Strenge. Ist das alles, zu was du fähig bist? Ein wenig Leben kam wieder in Notos rein, als er sich hektisch umsah. Am Rande seiner Wahrnehmung meinte er, die Umrisse einer Person zu erkennen, die sich von der Dunkelheit abhoben. Allerdings erklang die Stimme nun direkt hinter ihm. Was wirst du nun tun? Dich deiner Schwäche hingeben? Aufgeben und in Selbstmitleid versinken? Mit einem Mal wurde er grob am Kinn gepackt. Etwas Nasses rann seinen Hals runter. Instinktiv verteidigte sich sein Körper dagegen und Notos versuchte sein Gesicht abzuwenden. Wenn du Zeit zum Jammern hast, hast du auch Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Du hast ein Schwert bekommen. Also kämpfe! Mit einem Mal ließ der Druck nach. Abermals erhob die Präsenz hinter ihm das Wort. Doch statt Verachtung schwang dieses Mal etwas anderes im Unterton mit. Beinahe machte es einen sanften Eindruck auf ihn. Es ist nur zu deinem Besten, mein Junge.

Und plötzlich stutzte Notos. Gab all seinen Widerstand auf und atmete tief aus. Als würde es ihm helfen, wieder die Kontrolle zu erlangen. Ein einziges, kristallklares Wort stach aus dem zähflüssigen, trüben Sumpf seiner Gedanken hervor. Gift. Er wurde vergiftet. Warum? ...Diesmal war es gegen seinen Willen geschehen, richtig? Aber da er allem Anschein nach noch lebte – wo befand er sich nun?

Notos schlug die Augen auf. Versuchte es zumindest, auch wenn es ihn große Mühen kostete, sie allein für ein paar weitere Momente halbwegs offen zu halten. Er bereute es beinahe sofort. Licht stach in seine Augen, hell und brennend. Nah, doch aus keiner bestimmten Richtung. Es schien von überall zu kommen. Es dauerte eine Weile, bis er verstand, was es war. Aura, zu großen Teilen sogar nur eine einzige. Wärme war das Erste, was zu ihm durchsickerte. Die Aura strahlte vor Wärme und einer sanften Fürsorglichkeit. Allerdings, so sehr diese Gefühle gerade im Vordergrund standen, sie schafften es nicht, den Rest zu überschatten. Eine einzigartige Kombination aus feurigem Temperament, einem verbissenen Pflichtbewusstsein und Loyalität aber auch... einer unterschwelligen Sorge und Furcht?

„Neela?". Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Schwach. Kraftlos. Die Müdigkeit, die mit der Hitze in seinem Körper einherging, zerrte an seinem Bewusstsein. Diesmal jedoch bäumte sich seine eigene Aura dagegen auf. Als würde sie damit stumm gegen seine falsche Annahme protestieren wollen. Notos schüttelte leicht den Kopf – was seine Kopfschmerzen nur noch mehr anschwellen ließ. Nein, falsche Farbe. Wer auch immer vor ihm stand, es war sicherlich nicht Neela. Aber wer dann? Diese Intensität. Diese sture Unnachgiebigkeit. Das feurige Flackern vermischt mit einer permanenten, sprunghaften Rastlosigkeit. Er erkannte vereinzelt in dieser Person ein paar Aspekte seiner Freunde. War das der Grund? Der Grund dafür, dass ihm diese Aura so vertraut vorkam? Aber warum... war sie mit solchen Schmerzen verbunden?

Mit einem weiteren Zittern sank Notos noch etwas mehr in sich zusammen. Seine Seite flammte auf. Das Licht brannte in seinen Augen. Es schien nur schlimmer zu werden, je mehr in die flammenden Farben einhüllten. Warum konnte das alles einfach nicht aufhören? Warum konnte sie nicht gehen? Ihm fernbleiben? Es war zu viel. Zu viel Nähe, zu viel Helligkeit, zu viel des so intensiven flammenden Rotes. Warum konnte sie nicht einfach....

„Bleib. Bitte."
Das waren die ersten Worte, die Notos wissentlich von sich gab. Erstaunlich klar und deutlich, wenngleich geprägt von einer tiefen Erschöpfung. Für einen weiteren Moment rang er noch damit, den Blick in den Raum gerichtet zu halten – dann zog ihn das Gift in seinem Körper wieder mit aller Macht in die Dunkelheit zurück.

Zeit spielte schon lange keine Rolle mehr. Inzwischen war er vollkommen in dem zähen Fluss der Dinge verloren gegangen. Und dennoch... diesmal tat Notos, wie ihm befohlen wurde. Er kämpfte. Auch wenn ihm immer wieder das Bewusstsein entglitt. Selbst dann bemühte er sich allerdings, dem Träger des feurigen Lichtes zu folgen. Seine Position zu verfolgen. Doch seine Gedanken waren viel zu trüb und unfokussierten, als dass ihm das gelingen könnte.

Irgendwann spürte er, wie etwas seine Stirn berührte. Er zuckte zusammen, als würde er zurückweichen wollen. Nur...für einen winzigen Moment nahm das Flackern vor ihm festere Konturen an. Notos schlug die Augen auf, blinzelte verwirrt. Nirah? Die Benommenheit hatte bereits angefangen, ihn wieder einzulullen – doch davor spürte er erneut kühle Finger auf seiner Haut. Irgendetwas wurde ihm zugeschoben und an die Lippen gehalten. Nach einem kleinen Zögern hob er einen Arm und bekam ein Handgelenk zu fassen. Wartete - und wieder wurde die Silhouette der Person vor ihm klarer. Nirah, eindeutig Nirah. Eine gewisse Ruhe überfiel Notos. Die Worte seiner Begleiterin machten für ihn weiterhin kaum Sinn... aber er trank den Inhalt der Schüssel dennoch aus. So bitter er auch war. Seine Heilerin ließ ihm keine Gelegenheit, missmutig das Gesicht zu verziehen, sondern redete weiterhin auf ihn ein.

Er brauchte eine geraume Weile, um zu verstehen. Hinlegen? Stimmt, er saß ja noch... Die Aura vor ihm begann sich wieder zu entfernen, als er sich endlich zu einer kurzatmigen Antwort durchrang. „Wie bei der Heilung?" Langsam richtete sich Notos aus seiner in sich zusammengesunkenen Position auf. Hielt dann inne. Haderte kurz mit sich, bevor er seine Hand ausstreckte. Die Decke rutsche zum unzähligsten Mal wieder vollständig von ihm ab. „Würdest... du mir dabei wieder die Hand geben? Es...würde helfen."



Antworten Zuletzt bearbeitet am 27.01.2023 15:16.

Saphyr

26, Weiblich

  11. Ghostwriter

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Neuling

Beiträge: 1075

Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 22.01.2023 02:56

Nirah warf den Kopf auf die Seite und murmelte etwas. "Ist es schon Zeit?" murrte sie undeutlich in ihr Kissen hinein. "Ich komme gleich, ich komme gleich." Vielleicht war es die Anwesenheit ihres Besuchers oder lediglich der nicht allzu tiefe Schlaf, der ihr Bewusstsein an die Oberfläche treten ließ. Ihre Augen zuckten unter verschlossenen Lidern und sie regte sich, erwachte jedoch nicht. Sie war in ihrer Hütte, in wohlig warmer Dunkelheit. Mit einer Stimme im Hintergrund, die sich drängend anhörte. Mutter?, fragte sie sich selbst, unsicher, wessen Stimme es wohl sein könnte. Ich will nicht aufstehen. Noch nicht ... Noch nicht....
Plötzlich verschwand all das. Mit einem erschrockenen Keuchen fuhr Nirah hoch und riss die Augen auf. Ein undefinierbarer Druck verschwand sofort von ihrem Bauch. Hektisch tastete sie sie um sich, als suche sie ein Messer oder irgendetwas, mit dem sie sich verteidigen konnte. Ein prickelnder Schmerz echote noch durch ihren Arm und ihr Herz pochte bis zu ihren Ohren. Sie fand kein Messer, dafür streiften ihre Finger etwas anderes. Etwas Weiches. Das daraufhin leise raschelte und sich sofort aus ihrer Reichweite brachte. So schnell, wie sie sich aufgerichtet hatte, erstarrte sie. Wieder raschelte es und - war das ein Tapsen auf ihrem Bett? Das Gefühl von Beklemmung überkam sie, als würde das Etwas sie anstarren. Möglicherweise tat es das auch. Schwer zu sagen, da die Holzblende jegliches Licht von draußen abschirmte. 
Nirah zwang sie zu einem klaren Gedanken. Welches Tier oder Monster konnte in ihr Zimmer kommen, war klein und verteilte ... Moment. Verteilte aufgeladene Schläge? Unwillkürlich strich sie sich über den Arm, der Opfer der kleinen Attacke geworden war. Die Schmerzen waren verschwunden, der Schreck noch nicht. 

"Sir Jasper?", brachte sie ungläubig heraus. Ein scheinbar bestätigendes Schnauben erklang. Oder hatte sie sich das nur eingebildet? "Wie spät ist es?", fragte sie sich selbst, während sie sich hastig aus ihrer Decke schälte. Mit wenigen Schritten war sie beim Fenster und öffnete es. Sanftes Mondlicht drang in den Raum. Genügend Licht, um auszumachen, was da auf ihrem Bett hockte. Tatsächlich war es der kleine Katzenvogel. Nirahs Haltung entspannte sich sichtlich, als sie den Eindringling endgültig erkannte. Seine funkelnden Augen bohrten sich regelrecht in ihr Innerstes und ließen einen Schauer über ihren Rücken wandern. Für einen Moment starrte sie stumm zurück. Wieso war Notos' Gefährte hier, mitten in der Nacht? Ja, er hatte sie sogar geweckt? Wie lange hatte sie geschlafen? Weckt mich. Das ist wichtig. Hieß das ...?

"Notos!" stieß sie aus, als Verständnis sie durchflutete und Bewegung kam in ihren Körper. "Komm, gehen wir zu ihm." forderte sie das Wesen auf und stürmte derweil auch schon aus dem Raum. Recht zielsicher hatte sie eine volle Öllampe zutage gefördert und kurz darauf bereits die Hütte verlassen. Die Luft schien eisig zu sein und legte sich unangenehm um sie. Zudem verscheuchte sie effektiv die ihr anhaftende Müdigkeit. Unter der Asche des ausgebrannten Feuers war immernoch Glut. Mit einem glimmenden Stock entzündete sie das Lämpchen. Bei der Gelegenheit legte sie direkt einige kleinere Äste in die Feuerstelle, ließ sich kaum Zeit damit. Es war nicht verkehrt, die Flammen erneut zu entfachen. Sie könnte sie noch brauchen. Ohne weitere Verzögerung eilte sie zu der anderen Holzhütte.

Nirah rümpfte die Nase als die Luft des Zimmers ihr wie eine Wand entgegenschlug. Leise machte sie auf sich aufmerksam, doch keine Reaktion folgte darauf. Das flackernde Licht machte ihr klar, wieso. Der Krieger saß heftig zitternd auf dem Bett, an die Wand gelehnt, doch in sich zusammengesunken. Er war offensichtlich nicht bei Bewusstsein. Sein Gesicht glänzte und er atmete schnell. Viel zu schnell. Sieht nach Fieber aus. Sie streckte eine Hand nach seiner Stirn aus und ließ sie einen Moment dort ruhen. Er glühte. "Notos?" sprach sie in noch einmal an. Ihre Berührung entlockte ihm nur ein abruptes Zucken und seine Augenlider flackerten hektisch. Doch er blieb weiterhin in einem Zustand, den man nicht als wach beschreiben konnte. "Du solltest dich hinlegen." versuchte sie es weiter. Keine Chance. "Wieso hast du dich nicht hingelegt?" seufzte sie, in ihrer Stimme lag allerdings nicht der übliche Tadel. Nur Besorgnis. Das war nicht gut, ganz und gar nicht. Wärme. Wasser, viel Wasser. Tee! Wenn es sein muss, mit Weidenrinde ... und Stoff. Für kühlende Wickel. Eine Decke! Ganz automatisch listete Nirah im Geiste auf, was sie tun konnte. Dies war nicht das erste Fieber, welches sie miterlebte. Wenngleich sie sonst nicht alleine war und ihre Patienten für gewöhnlich ansprechbar ...

Nicht denken, handeln! Sie griff nach der Decke, die nach wie vor nutzlos zusammengefaltet am Fußende lag. Mit einem Schütteln entfaltete sie sich und war im nächsten Augenblick über Notos' Gestalt geworfen. Nirah beugte sich über ihn, drückte die Ränder so gut es ging zwischen seinen zitternden Körper, Bett und Wand. Am Ende lugte nur noch sein Kopf hervor. Allerdings wurde er mit einem Mal wesentlich unruhiger, fast als wehre er sich gegen den um ihn gewickelten Stoff. "Notos, hey, hey!" zischte sie und versuchte ihn mit einer Berührung an den Schultern zu beruhigen. Was nicht unbedingt half. "Es ist alles in Ordnung. Ich versuche dir zu helfen." sprach sie sanft und trat einen Schritt zurück. Hörte er sie überhaupt und wenn ja, verstand er was sie sagte? Was vor sich ging? Stirnrunzelnd betrachtete sie, die leicht verrutschte Decke und machte dann auf dem Absatz kehrt. Abwarten und beobachten würde eindeutig nicht reichen. Sein Zustand erforderte Maßnahmen. Es war Zeit, sich an die Arbeit zu machen. 

Auf dem Weg nach draußen erfasste sie aus dem Augenwinkel Sir Jasper. Ohne anzuhalten, sicherte sie ihm ein "Bin gleich wieder da, mach dir keine Sorgen." zu. Glücklicherweise hatten die trockenen Äste tatsächlich inzwischen Feuer gefangen, auch wenn es noch keine große Kraft hatte. Sie legte Holz nach, mit dem Ziel, das Lagerfeuer wieder richtig zu entfachen. Aus der Hütte holte sie einen frischen Topf und platzierte diesen auf dem Kochgestell. Außerdem nahm sie im selben Anlauf eine hölzerne Kelle, zwei Eimer und eine Tonschüssel mit nach draußen. Je weniger sie hin und her laufen musste, desto besser. Die Eimer füllte sie mit dem verbleibenden Wasser aus dem Regensammler. Nacheinander schüttete sie diese in den Topf, bis er gut gefüllt war. Einen weiteren Eimer voll Wasser schleifte sie mit nach drinnen und stellte ihn mit einem dumpfen Geräusch neben Notos' Bett. Dann war sie auch schon wieder hinaus gehuscht, hatte Notos nur eines Blickes und Sir Jasper gar nicht gewürdigt. Inzwischen bediente sie sich einer weiteren Öllampe, während die andere im Zimmer verblieben war. Beinahe zitterten ihre Finger, als sie im Vorratsschrank kramte. Weidenrinde, Weidenrinde, Weidenrinde ... Da!
Einige trockene Streifen der Rinde waren sorgfältig in ein Kästchen gelegt worden. Sie nahm das ganze Kästche, den Mörser sowie einen Haufen Verbände und kehrte endlich zu Notos zurück. 

Die Prozedur hatte eigentlich nicht sehr lange gedauert und doch schien es zu lange gewesen zu sein. Die zuvor sorgfältig platzierte Decke war ... nicht mehr zufriedenstellend. Dafür schien der Atem ihres Patienten lauter geworden zu sein. Wieder schlang Nirah den Stoff um Notos, gab sich dieses Mal mehr Mühe, damit ihn richtig einzuklemmen. Ohne Rücksicht auf jedwede Form des Protests. "Wenn du nicht liegen willst, muss es leider so sein. Tut mir leid, Donnerschwinge." sagte sie ruhig ohne eine Antwort zu erwarten. 

Schließlich saß sie auf ihrem Hocker an der kleinen Holzablage neben dem Bett und arbeitete weiter. Mit kreisenden Bewegungen zerkleinerte sie die Rindenstücke zu einem feinen Pulver. Nur das Schaben des Stößels und der unterschiedliche Atem zweier Menschen erfüllte für einige Zeit den Raum. Zwischendurch lüftete sie mehrmals kurz, um etwas frische Luft hineinzulassen. Mehrmals versuchte sie ihm mit der Schüssel kleine Mengen an Wasser einzuflößen. Irgendwann - Nirah verlor bald schon ihr restliches Zeitgefühl und sie war gerade mit ihrem Pulver fertig geworden - schien Notos' Zittern wenigstens etwas nachzulassen. Ein weiteres Mal prüfte sie seine Temperatur und erschrak regelrecht. Es war fast, als wäre er noch heißer geworden. Sie hatte gehofft, das Lüften und die sanfte Kühlung seiner Stirn würde ihn stabilisieren. Jetzt klang sein Atem zunehmend flacher. 
In kürzester Zeit rannte Nirah nach draußen zum Feuer, schöpfte heißes Wasser aus dem Topf in den zweiten Eimer und brachte es nach drinnen. Sie streute eine kleine Menge des Weidenrindenpulvers in die Trinkschüssel und übergoss es mit dem heißen Wasser. 

"Trink, bitte. Notos, trink!" versuchte sie ihn zu überzeugen, die Mischung zu sich zu nehmen. "Ich weiß es schmeckt seltsam. Aber es wird dir helfen, versprochen", flüsterte sie, wiederholte ihre Anstrengungen mehrfach und versuchte es immer wieder, ihm die Flüssigkeit einzuflößen. Das Pulver würde nicht nur die Kühlung seines Körpers unterstützen, sondern ihm bestenfalls etwas von seinem Unwohlsein nehmen. "Es ist alles nur zu deinem Besten." erklärte sie ihm und zog kurz darauf zwei mit kühlem Wasser getränkte Stoffbündel aus dem Eimer. 
"Ich muss dich noch einmal anfassen. Und du würdest mir wirklich entgegenkommen, wenn du mir ein wenig hilfst" meinte sie mit einem schwachen Lächeln. "Ich würde dir gerne kühle Bandagen um die Waden legen." Sie sprach sanft, in der Hoffnung, er möge ihren Anweisungen Folge leisten. In der Hoffnung, er möge sie überhaupt verstehen. "Es sorgt dafür, dass du ein wenig abkühlst. Ich versichere dir, es wird sich angenehm anfühlen. Okay?" fuhr sie mit ihren Überzeugungsversuchen fort. Wenn es sein musste, würde sie ihn dazu zwingen. Doch wenn nicht, wäre es besser.
"Wenn du ein wenig die Beine ausstrecken würdest, dich vielleicht sogar hinlegen ...?"

Oh, dies würde eine lange Nacht werden. Für sie und für Notos. Nirah spürte ihre Erschöpfung kaum, wenngleich sie stetig zunahm. Auch die Schmerzen vom Sitzen auf dem niedrigen Hocker und das sachte Pochen ihres Beins erreichten nicht ihr Bewusstsein. Zu groß war die Sorge und ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem kranken Mann vor ihr, dessen Reaktion auf ihr Heilritual leider deutlich drastischer ausfiel als ihr lieb war. 


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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 21.01.2023 00:40

Langsam ließ Notos seinen Windtänzer sinken, während sich Nirah zunehmend in ihren Gedankenspielen verlor. Er konnte nicht sagen, was ihn mehr verwunderte. Die ungewohnte Sanftheit in ihrer Stimme, mit der sie diese Bilder vor seinem inneren Auge malte – oder aber, dass sie diese Gedanken überhaupt teilte. Mit ihm von allen möglichen Personen. Er konnte sich beim besten Willen keinen Reim daraus machen. Dennoch. Sie schien angetan von seiner Idee... es freute ihn mehr, als er zugeben wollte. Alles. Je länger sie sprach, desto weniger konnte er sich demselben warmen Lächeln erwehren, welches auch die Züge der Heilerin zierte. Ja, ja er konnte es sich gut vorstellen. Wie die helle Melodie als steter Begleiter im Hintergrund erklang. Unaufdringlich genug, um ihre Präsenz beinahe vergessen zu können, doch immer anwesend. Wie ein treuer Freund, der alles mit einem durchstand. Fröhliche Zeiten, langwierige, monotone Aufgaben wie kraftraubende Krankheiten zu gleichen Teilen. Beinahe wie.... Aber nein. Aller Parallelen zu Trotz – unauffällig waren die beiden nun sicherlich nicht.

Nirah sprach weiter. Auf die verwunderte Nachfrage bezüglich ihres Kranzes hatte er nur ein Nicken von sich gegeben. Bei der Erklärungen zum Sommerkranz horchte er jedoch auf. Allerdings war es weniger die Erläuterung an sich, die sich seiner Aufmerksamkeit bemächtige, als die angespannte, defensive Wahl ihrer Worte. Hatte ihm dies zuerst lediglich ein Schmunzeln entlockt, so blickte er nun sachte lächelnd zu dem blumengeschmückten Ring in den Händen der Heilerin. Der Ausdruck in seinen Augen weich und nachdenklich, mit einem Hauch von schwer zu beschreibender Betrübung. „Nun, ich weiß nicht, ob ich noch wirklich die Möglichkeit bekommen werde, andere Sommerkränze zu sehen." Ob diese Gedanken seiner Überzeugung entstammten, dass er sich bis zur Verabschiedung des Sommers sicherlich nicht mehr in diesem seltsamen Gebiet befinden würde, oder weil ihm eine weitere Betrachtung schlicht und ergreifend seine Blindheit verwehren würde, behielt Notos für sich. „Allerdings habe ich deinen sehen können. Und allein das macht ihn für mich wertvoll. Zumal ich natürliche Schönheit immer zu schätzen weiß."

Hatte ihm Nirah überhaupt zugehört? Vermutlich nicht. Zumindest sprach ihre plötzliche Hektik dafür, mit welcher sie alle Materialien im Korb verstaute. Selbst sein Windspiel und das Öllämpchen blieb nicht von ihrer Aufräumwut nicht verschont. Notos gab sich einem ergebenen Lächeln hin, als er ahnte in welche Richtung das Gespräch abdriftete. Einzig Warnungen und unmissverständliche Befehle hatte die zügellose Heilerin für ihn übrig. Nun, das und...

Das verschmitzte Grinsen, mit welchem er Nirah ebenfalls eine wunderschöne Nacht wünschen wollte, gefror auf seinen Lippen, noch bevor es sich vollständig entfalten konnte. Überrumpelt hielt er inne. Blinzelte er ein paar mal verwundert. Hatte... hatte er sich das gerade nur eingebildet? Natürlich. Das musste es sein. Die zunehmende Kraft der Nebenwirkungen. Niemals im Leben hatte Nirah gerade... warum überhaupt hätte sie ihn bei seinem richtigen Namen nennen sollen? Hatte sie bisher fast noch nie..? Noch dazu mit derselben Weichheit...

Völlig aus dem Konzept gebracht, sah Notos der schwachen, flammenden Silhouette hinterher. Brachte nur nach einem Zögern ein kleines „...Wünsche ich dir auch", von sich. Rieb sich unschlüssig den Nacken. Bevor ihm ein leises Auflachen entkam: „Meinst du, Nirah erinnert sich noch daran, dass ich blind sein kann? Und deswegen Licht nicht wirklich benötige?" Jasper, der sofort die Abwesenheit der Heilerin ausnutzte und von seinem erkorenen Thron heruntergeflogen kam, betrachtete seinen amüsierten Partner, ohne ihm jedoch eine Antwort zu geben. Notos verstand dieses intensive Starren sofort – und seufzte leise auf. Sein Gefährte hatte recht. Abgesehen davon war er nicht töricht genug, um Nirahs Warnungen in den Wind zu schlagen. Falls es tatsächlich der Nachwirkungen der Heilung zu verschulden war, dass seine Blindheit derartig verfrüht zurückkehrte... dann sollten diese wirklich nicht unterschätzt werden. Zu seinem Widerwillen machte es ganz den Anschein, als würde er um ein paar Stunden der Ruhe nicht umhinkommen.

Doch trotz allem konnte er sich nicht dazu bringen, seine derzeitige Position zu verlassen. Niemals würde er sich hier hinlegen! Dieser Verwundbarkeit wollte er sich nicht hingeben. Da behagte ihm das Verharren im Schneidersitz deutlich mehr. Mit einer Hand seine Schwertscheide berührend, lehnte sich Notos an die Wand. Schloss die Augen und atmete tief durch. „Wachst du über mich, Jasper?" Du solltest dann nicht alleine sein, echote es in seinem Kopf. Natürlich würde er nicht allein sein. Er hatte seinen Partner bei sich. Mehr brauchte er nicht. Erst recht nicht jemanden mit einer so entwaffnenden Sanftheit, wie seine Heilerin. Zusammen hatten sie bisher alles durchgestanden. Kein Grund, noch jemanden mit dieser nichtigen Sache zu behelligen. Er hatte schlimmeres als das bisschen Gift überlebt.

Es war dennoch nicht sonderlich einfach für ihn, in einen halbschlafenden Zustand zu verfallen. Sein Blut schien zu schnell zu fließen, hinterließ dabei ein brennendes Kribbeln in den Adern. Erst als es sich ein warmes Federbündel in seinem Schoß zurecht tretelte, übermannte ihn bei dem anhaltenden, tiefen Vibrieren langsam die Erschöpfung, gegen die er so lange erfolgreich angekämpft hatte.

 

Als Notos wieder erwachte, strömte bereits Licht in den kargen, kalten Raum. Schlaftrunken schüttelte er ein wenig den Kopf – bevor er registrierte, wo genau er sich befand und wie spät es scheinbar schon war. Augenblicklich warf er die Decke von sich und sprang hektisch auf. Verdammt. Warum hatte Lux ihn nicht geweckt? ...Er würde wetten, dass die Schlafkappe auch noch nicht aus dem Bett gekommen war. Er sollte nach ihm sehen. Aber dass sogar Kiki sie in Stich ließ...

Die Angespanntheit fraß sich in seine Knochen, als er durch die Tür in den Gang trat. Das helle Holz schien durch das Sonnenlicht beinahe zu strahlen. Es verstärkte nur den Druck auf seinen Schläfen. Aber das war noch gar nichts im Vergleich dazu, was ihn erwarten würde, sobald er in den Hof treten würde. Er wollte gar nicht erst dran denken. Diesmal würde er sich wohl nicht rausreden können... Kurz vor der Tür seines Freundes angekommen, verlangsamte Notos seinen Trott. Stützte sich an der Wand ab. Holte ein paarmal tief Luft. Was bei allen Göttern hat er gestern nochmal getan? Jede einzelne Bewegung schmerzte, kostete ihn mehr Kraft, als sie sollte. Selten hatte ihm ein Training oder eine Mission derartig hart zugesetzt. Und überhaupt...

Notos drehte sich abrupt um, als ein kühler Wind über seine Haut strich. ...War das Rauschen der Blätter schon immer da gewesen? Vorsichtig öffnete er die schwere Holztür, die Hand auf seinem Waffenknauf ruhend – und stutzte, als ihn eine weitflächige Landschaft aus dichtem Grün begrüßte. Der Wind hinterließ feine Wellen im hohen Gras, welches ihm weit über die Knöchel reichte. Und vor ihm, einsam auf einem Hügel stehend, die Konturen einer einzelnen, üppig bewachsenen Baumkrone.

Vertraut. Dieser Ort war ihm viel zu vertraut. Und gehörte hier sicherlich nicht hin. Und doch... Notos ertappte sich dabei, wie sich ein ausgelassenes Lächeln auf seine Miene stahl, als eine ihm wohlbekannten Melodie seine Ohren erreichte. Seine Füße setzten sich von selbst in Bewegung. Folgten dem sanften Summen, dessen Klang allein seine Schritte leichter werden ließ. Je näher er dem Baum kam, umso wärmer schien die Luft zu werden. Angenehm warm jedoch. Nicht wie die Hitze, die durch seinen Körper strömte. Sondern vielmehr... herzlicher. Intimer. Wie eine liebevolle Umarmung. Bald würde er den höchsten Punkt erreicht haben. Der Wind nahm zu. Strich durch seine Haare. Beinahe war es ihm, als würde jemand zärtlich mit dem Daumen über seine Wange streichen – dann tätigte er den ersten Schritt in den Schatten der Baumkrone und seine Welt versank in bodenloser Dunkelheit.

Hastig sah sich Notos um, sein Herzschlag viel zu schnell, doch seine Aufmerksamkeit auf Hochtouren. Er konnte nichts sehen. Blind. Warum war er blind? Das farbiges Aufflackern von Auren vermischte sich zunehmend mit dem tiefen Schwarz. Unzählige Auren. Massen an zähflüssigen Leibern, die sich an ihn drängten. Sich aufstauten. Ihn zu ertränken versuchten. Er konnte sich nicht bewegen. Konnte nichts tun. Er musste raus. Er musste raus. Er durfte nicht schon wieder... Und plötzlich folgte eine bedächtigte Ruhe. Es war still. Totenstill. Unheilverkündend. Die grellen Lichter starben ab, wurden abermals ersetzt von dunkler Finsternis. Bis auf eins. Ein Licht blieb übrig, stach mit seinem farbigen Schimmern heraus wie eine untergehende Sonne am Horizont. Er erkannte es sofort. Würde es immer tun. Tätigte einen Schritt darauf zu – und plötzlich prasselte das intuitive Gefühl von drohender Gefahr auf ihn nieder. Die Intensität zwang ihn beinahe in die Knie. Es kam von überall. Von oben. Von vorne. Von der Seite.

Direkt hinter ihm.

Ein stechender Schmerz an der Seite ließ Notos hochfahren. Als erstes nahm er das Rauschen in seinen Ohren wahr. Seinen rasenden Herzschlag. Und... eine weitere Welle des scharfen Schmerzes. Und noch eine. Und eine weitere.

Dann... spürte er zunehmend den leichten Druck auf seinem Oberkörper. Das anhaltende Vibrieren eines Leibes auf ihm. Umhüllt von einem sanften, beinahe goldenen Licht. Langsam bekam Notos seine viel zu hektischen Atemzüge in den Griff. Nahm seine verkrampfte Hand von der Brust. Legte diese auf Jasper. Und wartete. Wartete so lange, bis die ersten klaren Gedanken wieder in seinen Kopf strömten.

„Danke, mein Freund". Die leisen Worte, die er von sich gab, waren nicht mehr als ein erschöpftes Wispern. Wenngleich er seinem Gefährten trotz allem die Ansätze eines schwachen Lächeln zu schenken vermochte. „Es geht wieder." ...Tat es das wirklich? Die Aura seines Partners hatte ungewöhnlich verschwommene Konturen. Er konnte sich kaum auf diese fokussieren. Dazu strömte das heiße Pulsieren nun wohl bemerkbar durch seinen ganzen Körper. Und dennoch – ihm war kalt. Klammer Stoff haftete an seiner Haut. Ließ ihn mit jedem weiteren, verstrichenen Moment die kühle Luft wahrnehmen, die zu ihm rüberwehte. ...War das Fenster vorhin nicht noch geschlossen gewesen?

Jasper beobachtete besorgt seinen Partner, wie er abermals in einen unruhigen Dämmerschlaf fiel. Dabei am ganzen Körper zitterte. Immer noch schwerfällig atmete. Als er schließlich meinte, unter der ihm fremden Kleidung kurzzeitig ein schwaches, grünes Aufglimmen erkennen zu können, fasste er einen Entschluss. Sah sich nocheinmal zu seinem Partner um. Bevor er unverzüglich aus dem Haus stürmte. Rasch trippelte der kleine Drache nach draußen. Rannte bis er abermals vor einer Tür stand. Verschlossen. Doch nicht mit einem Schlüssel. Und Klinken waren schon lange kein Problem mehr für ihn.

Leises Klackern und Schaben war zu hören, als Jasper die Tür ansprang, die schließlich mit einem leisen Ächzen den Weg freigab. Das Federbündel zwängte sich durch den kleinen Spalt, huschte nach drinnen und visierte sofort ein bestimmtes Zimmer an. Ohne in der Dunkelheit auch nur irgendwo anzuecken, manövrierte sich der gefiederte Drache Richtung Bett. Hüpfte auf dieses drauf und betrachtete für einen Augenblick die fremde Menschenfrau. Die im Schlaf genauso unruhig wie im wachen Zustand wirkte. Jasper legte den Kopf schief. Wartete einen weiteren Moment. Bevor er mit seinen elektrisierten Krallen einmal leicht über den Oberarm der Heilerin fuhr.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 21.01.2023 09:07.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 10.01.2023 03:10

Automatisch verfinsterte sich Nirahs Gesicht, als Notos wieder einmal betonte, wie eilig er es hatte wegzukommen. Vielleicht war es eine gute Sache. Bald wäre er gesund und ihre Aufgabe erfüllt. Je früher ihre Pfade voneinander wegführten, desto besser. Doch wenn sie das nicht taten, wenn sie sich nicht nur in einer losen Überschneidung kreuzten, sondern die Mutter sie enger miteinander verflochten hatte ...
Ein leises Murren drang aus ihrer Kehle. "Es wird sich zeigen", murmelte sie nur unbestimmt, unterdrückte jede weitere Äußerung. Sollte er gerne denken, dass sie sich auf Bastelei bezog. Bevor du nicht gesund bist, gehst du nirgendwohin. Eine Diskussion jeglicher Art galt es zu vermeiden. Die Entscheidung, mit der sie zu Beginn des Tages gehadert hatte, war inzwischen fest in ihren Gedanken eingebrannt. Nicht, dass sie ihr inzwischen mehr behagte. Aber wenn, falls ... Sie würde tun, was nötig war, wenn es der Wille der Mutter war. Notos hatte, möglicherweise zu seinem eigenen Pech, selbst dazu beigetragen. Mit seinen Worten zu Willenskraft und Vertrauen, auf die sie nur mit einem Schnauben reagiert hatte. Sie wäre in dieser ganzen Geschichte nicht auf sich alleine gestellt. Niemals. Diese kleine Erinnerung hatte die Kraft, einen Teil ihres Inneren zu besänftigen, die Wogen der Verunsicherung etwas zu glätten. Abwarten. Bis er gesund ist. Vielleicht hast du Glück.

So vermied sie weitere Gespräche erfolgreich, bis sie neugierig Notos' Werk beäugte, welches er ihr präsentierte. Stöcke baumelte in einer Reihe daran. Nirah legte den Kopf schief. Bis das Holz Klänge von sich gab. Dann zuckten ihre Mundwinkel kaum sichtbar nach oben. Windtänzer. Ein schöner Name. Sie hatte in ihrem Leben schon Windspiele gesehen, doch sie waren nicht allzu verbreitet. Inmitten von Bäumen hatte der Wind es nicht immer leicht, seine Kraft zu entfalten. Wenngleich eine leichte Brise reichen müsste, um dem Windtänzer seine Melodie zu entlocken. "Ich mag es." kommentierte sacht lächelnd. "Vor der Hütte finden wir bestimmt einen Platz dafür. Stell dir vor, wie es sein mag, wenn man draußen am Feuer sitzt und es im Hintergrund erklingt. Oder wenn es nach drinnen dringt, während einer der Heiler Kräuter vorbereitet. Wenn jemand sich in einem der Zimmer ausruht" sprach sie die ersten Bilder aus, die ihr in den Sinn kamen. 

Bevor sich das Lächeln auf ihrem Gesicht festsetzen konnte, zeigte Notos ihr den zweiten Windtänzer. Der offensichtlich noch nicht beendet war. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen." Meines?", fragte sie. In ihrer Stimme war hauptsächlich Verwirrung. Er meinte sicherlich für "ihre" Hütte. Irrte sie sich oder sah "ihr" Kranz kunstvoller aus als der andere, obwohl er noch gar nicht fertig war? "Ihre" Hütte, in die sie wohl bald zurückkehren sollte. Ihr Kiefer spannte sich bei dem darauffolgenden ungerechtfertigten Lob sichtbar an ... Was tat sie hier eigentlich?
Für einen Moment blieb ihr Blick auf dem Kranz hängen, hob ihn so hoch wie er an die Tür gehängt werden würde. "Es ist ebenfalls nichts Besonderes" verteidigte sie sich, ohne zu wissen wieso. "Nur ein simpler Sommerkranz. Einige Familien hängen solche an ihre Türen. Jetzt, da wir uns dem Winter nähern. Sie erinnern an das Licht und die Gaben des Sommers, wenn die dunkle Zeit Einzug hält. Es sind gleichzeitig Symbole der Hoffnung wie auch des Dankes. Nun ... für die meisten sind sie einfach schön anzusehen. Spätestens zur Verabschiedung des Sommers wirst du noch einige davon sehen, deutlich bessere." 

Unvermittelt stand Nirah plötzlich auf ihren Füßen. Das Geräusch von Stuhlbeinen, die über den Boden scharrten, durchbrach die Stille des Zimmers. "Es ist spät. Du solltest schlafen." verkündete sie. Sie hatte sich lang genug von Notos' Gesundheitszustand überzeugt. Noch ging es ihm gut genug, nichts wo man eingreifen müsste. Und sie konnte nicht die ganze Nacht hier bei ihm sitzen. Die Ringe unter seinen Augen waren jedoch unverkennbar. Etwas Ruhe und Schlaf würden ihm guttun. Wenn alles gut lief, wäre er morgen ohne es recht zu merken fast wie neu. Und wenn nicht? Mit festem Blick betrachtete sie ihn für einen Moment. "Ich meine es ernst. Dein Körper braucht Ruhe, um sich ganz auf die Regeneration konzentrieren zu können. Was sich sonst vielleicht Wochen hingezogen hätte, wird in kurzer Zeit ablaufen. Unterschätze das nicht." warnte sie ihn. "Falls es dir plötzlich deutlich schlechter gehen sollte. Falls du hohes Fieber bekommst oder irgendwelche anderen bedenklichen Symptome, holt mich. Weckt mich. Das ist wichtig. Du solltest dann nicht alleine sein. Und du wirst nicht alleine sein." versprach sie. Dafür war sie hier, das war ihre Aufgabe und ihre Pflicht. "Als Patient solltest du auf deine Heilerin hören." fügte sie nach einer Pause, nicht ohne Tadel hinzu. 

Zügig pickte sie die verstreuten Materialien, die neben Notos auf dem Bett und zu seinen Füßen auf dem Boden verteilt waren, auf und legte sie in den Korb. Dann nahm sie den ebendiesen, ihren Kranz und das fertige Windspiel an sich und legte alles fein säuberlich außerhalb von Notos' Reichweite an die Wand. Etwaige Einwände oder sonstige Reaktionen ignorierend, hob sie schließlich das Öllämpchen von der Ablage und behielt es bei sich. "Ruh dich aus, geh schlafen", befahl sie dem allzeit störrischen Krieger in einem Ton, der keinen Raum für Widerworte ließ. Mit wenigen Schritten stand sie vor dem Ausgang, wo sie sich noch einmal dem dunklen Raum zuwandte. "Gute Nacht. Schlaf gut, Donnerschw ... Notos" sprach sie mit sanfter Stimme und ließ ihren Patienten in völliger Dunkelheit zurück. Auf dass er nicht noch weiterbastelte.

Vor der gegenüberliegenden Tür machte Nirah Halt und verharrte einen Moment. Starrte sie an. Es wäre sinnvoller, wenn sie hier im Gebäude blieb. Falls es Notos tatsächlich schlechter gehen sollte, im Laufe der Nacht. Dann schüttelte sie den Kopf, wie um eine lästige Mücke zu vertreiben und verließ die Hütte. Dem Feuer stattete sie nur einen kurzen Besuch ab. Es war inzwischen deutlich heruntergebrannt und würde eingerahmt von Steinen keine Gefahr darstellen. Sie nahm nur den halbleeren Kessel von der Halterung und trug ihn in ihre Hütte. Er musste ja nicht unbedingt irgendwelche Tiere anlocken.
Im kahlen Zimmer, welches nun ihres war, ließ sie sich auf ihr Bett sinken. Der Tag steckte nicht nur Notos in den Knochen, er hatte auch von Nirah seinen Tribut gefordert. Auch ihr Körper musste genesen, selbst wenn das Ganze halb so schlimm war. Sie wollte nicht schlafen, sich nur etwas hinlegen und sich ausruhen. Noch immer plante sie wach zu bleiben, um noch einmal nach Notos sehen zu können. Zur Sicherheit. 
Allerdings war sie kaum in das Kissen gesunken, da legte sich bereits ein schwerer Mantel aus Müdigkeit über sie. Langsam entglitt ihr das Bewusstsein und Schwärze umfing sie vollständig.

Kein Traum plagte Nirah in dieser Nacht. Zumindest keiner, an den sie sich erinnern konnte. Der Schlaf war friedvoll und erholsam. Bis Geräusche sie daraus hervor rissen. Orientierungslos öffnete sie die Augen. Wie viel Zeit war vergangen? Wieso war es so dunkel? Die Lampe ist leer. Ein Scharren ließ sie sich ruckartig aufrichten und ein kühles Kribbeln über ihren Rücken laufen. Ein Scharren?  Wie erstarrt horchte sie einfach nur. Da war es wieder! Vielleicht einfach nur ein Tier auf der Suche nach Futter. Sie versuchte es zu ignorieren, stattdessen nahm sie wahr, wie es wanderte. An der Wand der Hütte entlang. Bis es ganz eindeutig an einer Stelle verblieb. Schemenartig zeichneten sich langsam die Umrisse des Raumes ab. Das Fenster? Bildete sie es sich ein, oder wurde es lauter, nachdrücklicher?
Nirahs Herz pochte in ihren Ohren. Im Nachhinein wusste sie nicht, wieso sie dem Geräusch auf den Grund ging. Denn hauptsächlich empfand sie Vorsicht, ja vielleicht sogar einen Anflug von Angst vor ... was auch immer solch ein großes Interesse an dem Zugang zu ihrem Zimmer hegte. Denn es verschwand nicht. Im Halbschlaf malte sie sich die grausigsten Szenarien aus. Raubtiere, Monster, die sie holen wollten. Dennoch stieg sie aus dem Bett und tappte langsam zum Fenster. Nach reichlichem Zögern entriegelte sie den Verschlag und ließ die kühle Nachtluft hereinströmen. Vorsichtig wagte sie einen Blick nach draußen. 
Und sah ... nichts. Das Geräusch erklang ebenfalls nicht mehr. Sie hörte nur das leichte Rascheln von Blättern und den Ruf einer Eule. 

Einige Zeit später gab Nirah das aussichtslose Starren und Suchen auf, stellte sicher, dass das Fenster gut verschlossen war und glitt ohne Nachzudenken zurück ins Bett. Zwar stellte sich der Schlaf wieder ein, doch er war unruhig. Sie wälzte sich hin und her. Lose Gedanken strömten unzusammenhängend durch ihren Kopf. Und verschwommene Bilder, die keinerlei Sinn ergaben, blitzten vor ihrem inneren Auge auf. 
Kaum einen klaren Gedanken verschwendete sie an Notos und Sir Jasper im anderen Gebäude. Zu schlaftrunken, zu sehr neben sich stehend war sie. Lediglich eine ungreifbare Sorge vermischte sich mit den Schatten der anhaltenden Unruhe, welche sie ebenso gut davon abhielt, wieder in einen erholsamen Schlaf zu finden.


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Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.01.2023 00:42.

Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 16.12.2022 23:28

Nirah hatte noch lange nach ihrer Erläuterung geschwiegen, hob sowohl ihre Stimme wie ihren Blick erst an, nachdem er seine Bitte verkündet hatte. Aus irgendeinem Grund verwunderte ihn es gar nicht mehr. Ihr leicht spöttischer Unterton, unmittelbar begleitet von einem Grummeln - eine ihm inzwischen wohlbekannte Kombination. Vertraut, wie die Gesellschaft eines alten Freundes.

Warum sollte es verboten sein, Donnerschwinge? Die Art, wie sie diesen Satz aussprach, veranlasste Notos beinahe dazu, sich wie ein Kind zu fühlen, welches man für eine dumme Frage tadelte. Empfand sie seinen Gedanken wirklichen als derart abwegig? Selbst in der Stadt der Kronen gab es Orte, deren Zutritt den meisten verwehrt blieb... Nun, immerhin verriet ihm ihre Aussage dafür, dass es in dieser Gegend wohl zumindest nicht untersagt war, einen Fremden in seine Bräuche einzuweihen. Allerdings... wenn es nicht verboten war, dies zu tun, warum haderte die Heilerin dann so lange?

Sein Blick verfolgte stumm das ungeduldige, tänzelnde Klopfen der Fingerspitzen auf dem harten Holz. Die Zwiespältigkeit in Nirahs Miene. Die zweite Sache fiel ihm ein, die er als Bedingung gesetzt hatte. Nur wenn dir nichts ausmachen würde. Hieß das also...?

Völlig aus den Gedanken gerissen richtete sich Notos auf, als Nirah ihm auf einmal doch eine Antwort gab. Eine positive sogar. Sie wollte ihm ein Gebet zeigen. Er gab seine Verwunderung nicht zur Kenntnis. Stattdessen war er an der Reihe, für einen Moment zu zögern, bevor er schließlich ein langsames Nicken von sich gab, die Hand auf die Brust gelegt. „Das würde mich sehr freuen. Und...ich weiß das sehr zu schätzen. Danke."

Eigentlich hätten sie es gerne dabei belassen können. Keine weiteren Gespräche über Dinge, die ihnen beiden nicht ganz behagten. Doch natürlich gab ihm Nirah diese Chance nicht. Verstand nicht, dass er dieses Thema nicht vertiefen wollte. Beinahe ließ er sich dazu verleiten, ergeben aufzuseufzen. Hoffentlich würde nun keine Predigt folgen, wie falsch seine Denkweise bezüglich der Götter doch war. Sie wäre wahrlich nicht die erste, die ihm in dieser Hinsicht den Kopf waschen wollte. Doch scheinbar sollte er sich in der Intention ihrer Worte etwas irren.

Bei mir war es anders. Notos horchte auf. Anders in dem Sinne, dass sie der Führung ihrer heiligen Mutter eher vertrauen konnte als der menschlichen? Oder dass ihr nie Personen zur Seite gestanden haben, als sie es benötigt hatte?

Sei es nun eine Mischung aus seinen beiden Vermutung oder doch eine völlig andere – er hakte nicht nach. Zu groß war die Befürchtung, dass er damit versehentlich in eine eher persönlichere Angelegenheit stechen könnte. Ihre verhaltene Reaktion sprach dafür. Und er wusste selber, wie unangenehm das werden könnte. Zudem gab es da einen völlig anderen Satz, der ihn in eine Woge der Perplexität riss. Die heilige Mutter war eine reale Instanz für sie. Kein ungreifbares Wesen.... in den Wolken über uns? Verdattert stutzte Notos, runzelte irritiert die Stirn. Was für ein befremdlicher Ausdruck. Die Wolken über uns. Hatte er noch nie in dem Kontext gehört. Was sollte das überhaupt bedeuten? Meist befand sich doch immer klarer Himmel über ihnen. Des Öfteren fanden sie sich mal mitten in einem ausgewachsenen Sturm wieder. Und unter ihnen, das stetig strömende Wolkenmeer in seiner wilden, unberechenbaren Macht und schieren Endlosigkeit. Wenn überhaupt, dann war also doch das Gegenteil der Fall– kein Wesen, außer den Göttern vielleicht, konnte in den Wolken unter ihnen leben...Oder?

Den abstrusen Gedanken, der ihn sofort daraufhin überfiel, versuchte Notos rabiat abzuwürgen, bevor er sich in seinem Kopf einnisten konnte. Dennoch konnte er sich dem Drang nicht erwehren, einen kurzen Blick mit Jasper zu tauschen. Er musste sich mit seinem Gefährten dringend austauschen, was am Tag ihres Falles wirklich stattgefunden hatte. Irgendwann, wenn sie wieder allein waren. Doch davor... sollte er Nirah antworten. Bevor sie bemerkte, dass er Löcher in die Luft starrte.

Stattdessen also... begann er sanft zu lächeln. „Es freut mich, dass dir die heiligen Mutter so viel an innerer Stärke und Willenskraft schenken kann – und davon scheinbar auch nicht gerade wenig", gab er mit einem warmen Schmunzeln von sich. Neckend. Aufrichtig. Grinste so witzelnd wie verhalten, wandte den Blick dann jedoch von ihr ab. Richtete ihn erst flüchtig auf Jasper, dann auf seine eigenen Hände. Ehe er abermals bedächtig, doch genauso bestimmt ansetzte: „Es ist wichtig, vertrauen zu können. Zu wissen, dass du dich auf jemanden verlassen kannst. Nicht gänzlich auf dich allein gestellt bist. Und dass dir jemand den Rücken stärkt und auf dich Acht gibt." Wer einem diese Gefühl nun vermittelte, war für ihn relativ unbedeutend. Egal, ob es nun Götter, Personen, oder die Natur selbst war. Oder Gefährten. Gefährten, die einen missmutig anstarrten. Und nachdrücklich darauf bestanden, dass man lieber essen, statt reden sollte.

Notos ging auf Jaspers Ablenkung zu gerne ein. Betrachtete das vorherige Gesprächsthema somit auch als abgeschlossen. Wobei Nirah sowieso viel zu hin- und hergerissen wirkte, um abermals eine weitere Diskussion anzufangen. Allerdings ging sie dann wiederum doch recht zügig auf sein Angebot ein und blieb. Ein wenig auch zu seiner Überraschung, wenn er gestehen sollte. Dafür, dass ihm die Heilerin immer wieder unmissverständlich zu verstehen gab, wie wenig sie von ihm hielt, hielt sie sich deutlich länger als nötig in seiner Nähe auf. War dies wirklich nur ihrem Pflichtgefühl zu verschulden?

Sei es, wie es nun sei – Notos schmunzelte nur gutmütig, als Nirah ihn barsch nach Ästen fragte und reichte ihr diese ohne einen weiteren Kommentar. Und schließlich bekam er für die nächste Zeit das, was er sich vorhin gewünscht hatte: Ruhe. Ruhe, die scheinbar nicht nur er genoss. Immer wieder hob er leicht den Kopf an, schielte heimlich zu seiner neuen Bekannten rüber. Senkte dann sofort wieder lächelnd den Blick auf seine eigene Bastelei. Beinahe war es ihm, als würde er direkt sehen können, wie ihre eigene, flackernde Aura zumindest ein wenig an unruhiger, sprunghafter Wildheit abnahm. Langsam verstand er, warum Vater das immer getan hatte.

Die Zeit verging. Die ersten Momente verbrachte er damit, die Äste, die er umspült vom Seeufer gefunden hatte, sachte aneinanderzuschlagen. Bei manchen unschlüssig die Augen zu schließen, nachdenklich abermals mit dem Holz die anderen Stücke abzuklopfen. Bevor er schließlich zu den dünnen Stoffstreifen griff. Irgendwann setzte er erneut an, im Versuch, den Grund für sein Tun zu erklären. Ohne dabei seine Arbeit zu unterbrechen. Selbst dann nicht, als Nirah ihm antwortete. Ihm recht gab, dass die Räume kühl wirkten. Zeitgleich jedoch dabei sonderbar defensiv wirkte. Ich meinte damit nicht, dass du dich hier zu Hause fühlen musst. Allerdings wirst du sowieso nicht lange bleiben. Trotz ihrer Aufforderung, keine weiteren Gespräche anzufangen, kam Notos nicht umhin, ihre Aussage entschlossen nickend zu bestätigen: „Ja. Ich werde auf keinen Fall lange bleiben." Das konnte er sich einfach nicht erlauben. Nicht wenn... er schluckte befangen, ignorierte die stärker werdende Unruhe, die sich in seinem Magen festnistete. Führte stattdessen fort, was er eigentlich sagen wollte. Lächelte dabei sanftmütig. „Allerdings...selbst wenn ich euch hier nicht lange behelligen werde. Sollte dieses kleine Ding auch nur einer Person zumindest ein wenig helfen, sich in diesen Räumen etwas wohler zu fühlen, dann hat sich all meine Arbeit bereits mehr als gelohnt."

Und nach diesem Satz ließ er sich dann auch nicht mehr ablenken. Holte stattdessen sein kleines Reisemesser aus dem Beutel. Hielt die Klinge immer wieder für eine längere Zeit in das zarte Flämmchen der Öllampe, bevor er die Spitze unmittelbar danach ins weiche Holz der zurechtgeschnittenen Holzscheite drückte. Dies allerdings auch sofort unterließ, kaum dass Nirah das Fenster schloss – dem Geruch nach verbranntem Holz wollte er keinen von ihnen dreien zu lange aussetzen. Stattdessen nahm er sich ebenfalls längere Äste, versuchte sie in eine sichelförmige Form zu bringen, ohne dass sie dabei brachen. Es gelang ihm nicht. Nach dem siebten Versuch gab er auf, suchte sich stattdessen einen trockenen, verkrümmten Ast, der beinahe ein wenig wie ein Teil eines Geweihs aussah. Die zerbrochenen Holzstücke warf er Jasper zu, der in der Zwischenzeit ebenfalls alles Essbare verdrückt hatte – und seine neue Beute prompt in das Nest auf dem Schrank verschleppte.

Nach und nach begann Notos allerdings, kleinere Pausen einzulegen. Nun, wo keine kühle Brise aus dem offenen Fenster zu ihm rüber wehen konnte, kam ihm der Raum zunehmen erdrückender vor. Und wärmer. Das kribbelnde Gefühl in seinen Adern verstärkte sich. Inzwischen verstand er auch, warum das Gefühl der Rastlosigkeit nicht abebben wollte. Sein Energiefluss war schneller – nicht um sonderlich viel, aber er war genug darauf sensibilisiert, um es dennoch wahrzunehmen. War das eine der Nebenwirkungen, vor denen Nirah ihn gewarnt hatte? Oder doch ein Effekt des Giftes?

Beides konnte er nicht gebrauchen. Immer wieder schloss Notos die Augen. Atmete tief durch. Versuchte seine Energiebahnen abzubremsen, sie zu erden. Bis er sich auf einmal beobachtet fühlte. Irritiert öffnete er wieder die Augen – und begann unwillkürlich zu schmunzeln, als er Nirahs heimlichen Blick bemerkte. Lächelnd hob er wie auf einen stummen Befehl sein Werk in die Höhe. Es war, wie versprochen, äußerst simpel. An einem längeren Holzscheit hingen fein säuberlich in einer Reihe aufgehängt mehrere von Sonne und Seewasser ausgebleichte, trockene Stöcke. „Wie gesagt, nichts Großartiges. Nur ein Windspiel." Sein verhaltenes Grinsen nahm weichere Züge an, als er beinahe etwas abwesend drüber strich. Das Holz antwortete mit leisen, sachte klingendem Klimpern. „In meinem Heimatort haben fast alle Häuser solche Windtänzer. Wenngleich ich wohl noch nie einen dieser Art gefertigt habe."

Vorsichtig legte Notos sein Werk zur Seite, nahm stattdessen das andere Teil seiner Arbeit in die Hand, hob auch dieses kurz an. Es ähnelte in gewisser Weise dem ersten Windspiel, wenngleich trotz des gebogenen, hornartigen Astes deutlich graziler gestaltet. Und feiner bearbeitet. Statt schlichten Stücken hatte er die paar Holzstücke, die bereits an Fäden herabbaumelten, in die Form von Blätter geschnitzt. Rußschwarze Verzierungen waren auf diesen sichtbar. Manche sahen aus wie Federn. Ein paar hatten spiralförmige Runen und Musterungen. Andere wirkten wie winzige Pfotenabdrücke, die von Jasper hätten stammen können. „Deines ist noch nicht ganz fertig. Aber ich sollte spätestens morgen dazu kommen", gab Notos eher nebenbei von sich, bevor er es einen Tick zu schnell wieder vor Nirahs Sicht verbarg. Für die spinnenwebartigen Strukturen, die er geplant hatte, hatte er im Moment einfach nicht den Kopf. Zumal er das Gefühl hatte, als würde sich immer wieder ein nebeliger Schleier vor seine Augen schieben. Dabei hatte er es mit der Magie heute doch nicht mal sonderlich übertrieben...

Notos versuchte seinen Missmut über diese Erkenntnis zu überspielen. Zuckte lediglich so müde wie nonchalant mit den Schultern. Gab dabei ein kleines, verhaltenes Lachen von sich: „Wie gesagt, nichts sonderlich Nennenswertes. Zumindest nichts im Vergleich zu deinem Werk." Seine Aufmerksamkeit huschte kurz zu ihrem Blüten- und Gräserkranz, lächelte dabei sachte, bevor er den Blick wieder hob. „Es ist für die kurze Zeit großartig geworden!", meinte er aufrichtig. „Du hast deutlich mehr Fingerspitzengefühl als ich. Dann wiederum sollte mich diese Fähigkeit wohl nicht so überraschen. Schließlich bist du eine Heilerin."



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Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 04.12.2022 02:38

Stumm verfolgte Nirah den sich wechselnden Ausdruck auf Notos' Gesicht. Sie war sich nicht ganz sicher, wie sie ihn deuten sollte. Lediglich frei von Verständnis oder doch voller Abneigung? Die Grimasse, die er schließlich zog, machte jedenfalls keinen Eindruck einer allzu positiven Reaktion.
Er kommt nicht von hier, ist nicht in der Lage es zu spüren. Was erwartest du? 
Ihr konnte es letzten Endes egal sein, welchen Blick irgendein Fremder auf die Wege der Wächter hatte. Er hatte eine Frage gestellt und sie hatte geantwortet. Nicht mehr und nicht weniger. Was sie besaß, ihre unerschütterliche Überzeugung, das Gefühl all dieser Dinge, die außerhalb ihres Selbst geschahen ... Das konnte ihr niemand nehmen. Jemals.
Sie war nicht hier, um Veränderungen in Notos' Weltbild oder gar in seinen Ansichten hervorzurufen. 

Unwillkürlich richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die flirrende Energie, die konstant pulsierend über ihre Haut strich. So wie es sein sollte. Als würde sie verschwinden. Wie könnte sie? Sie war in ständigem Wandel, einem immerwährenden Fluss und doch konstant. So unveränderlich wie der Kreislauf von Tod und Leben.
So saß Nirah auf ihrem Stuhl, den Blick von ihrem Gegenüber abgewandt. Unverfänglich und vielleicht etwas stoisch auf das Sammelsurium neben ihm gerichtet. Ohne einen Kommentar, der sich lohnte, ausgesprochen zu werden. Bis eine unerwartete Bitte sie veranlasste, ihn direkt anzusehen.

Überraschung zeigte sich in ihren Augen genauso wie in ihrer Suche nach einer passenden Antwort. "Wieso sollte es verboten sein, Donnerschwinge?" war der erste Satz, der ihr einfiel. Er trug den Klang von leichter Häme. "Es ist ja nicht so, als würde ich irgendeinem geheimen Kult angehören." folgte leise grummelnd. 
Machte es ihr etwas aus? 
Die Vorstellung, ihre persönlichen Rituale mit einem fast völlig Fremden zu teilen, erzeugte einen gewissen Widerwillen in ihr. Sicher, Gebete solcher Art waren ein gängiger Brauch. Aber die Worte, welche sie an die Mutter richtete, welche sie wählte, waren ihre ureigenen Gedanken. Etwas zutiefst Privates. Wie das Gespräch mit einem vertrauten Menschen. Gerade das war der Grund, wieso es in dieser Sache kein richtig und falsch gab. 
Nirahs Finger trommelten ein unstetes Lied auf dem Holz des Stuhls, während sie mit sich haderte. Er wollte lernen. Das konnte und würde sie ihm nicht verwehren.
"Wenn du wirklich Interesse daran hast ... kann ich dich einmal dabei begleiten", antwortete sie schließlich möglichst vage. "Erinnere mich daran."  

Der Nachklang von Überraschung vermischte sich anschließend mit Verwirrung, bei Notos' Erklärung über seinen Glauben. Oder eher Nicht-Glauben. Seine Ansicht war ... ungewöhnlich. Der Grund dafür war allerdings mehr ein Unverständnis, woher Notos trotz dieser Einstellung seine Neugier für die heilige Mutter hernahm. Nicht die Ansicht selbst. "Ich verstehe, was du meinst ... denke ich", antwortete sie leise. Ohne, dass sie es wollte, bahnten sich die nächsten Worte einen Weg. "Bei mir war es anders." Sofort war es ihr unmöglich, ihm weiterhin anzusehen. Ihr wanderte unvermittelt von ihm weg, auf den Boden, an die Wand und dann geradewegs an ihm vorbei. 
"Die heilige Mutter ist allerdings keine Gottheit. So sehe ich es. Ich habe es bereits gesagt, sie ist die Natur. Alles um uns herum. Eine reale Instanz. Kein ungreifbares Wesen in den Wolken über uns, das Anbetung gegen Gnade tauscht. Man muss sie nicht verehren, um ihrem Einfluss zu unterliegen." brachte sie mit zu großem Nachdruck heraus, in einem Versuch ihre plötzliche Unsicherheit zu überspielen. Fast kam es ihr vor, als spräche Weißhaar durch ihren Mund. Ohne ihn wäre ihr wohl noch nicht klar, dass es solche abstrusen Vorstellungen überhaupt gab. Er dagegen hatte viel erlebt, war vielen Menschen begegnet. 

Glücklicherweise lieferte Notos selbst genügend Möglichkeiten, sich selbst von ihrem nagenden Drang vom Stuhl zu springen und sich umgehend zu verabschieden, abzulenken. Ein Punkt war sein Gesundheitszustand. Nirah nahm ihm seine leichtfertige Antwort nicht ab. Zu schnell, zu defensiv. Sie schenkte ihm einen kurzen Blick mit zweifelnd hochgezogener Augenbraue. Kopfschmerzen also? Ja, das war gut möglich. Und Rastlosigkeit? Nicht was sie erwartet hätte, aber ... Sie folgte der Bewegung seiner Hand zu der Stelle wo das Bild des Vogels sein musste. Verzichtete auf eine Antwort und musterte überaus interessiert die Stöcke auf dem Bett.

Sir Jasper übernahm danach für einen Moment die Aufgabe, Nirah abzulenken. Von ihren sprunghaften Empfindungen und von der steigenden Seltsamkeit der Situation. Nicht absichtlich, keineswegs. Aber das Geräusch, das er machte, das sich durchaus ungeduldig anhörte, zog nicht nur Notos' Aufmerksamkeit auf sich. Eine Weile beobachtete sie den Katzenvogel mit einer Mischung aus Misstrauen und einer sich aus der Faszination entwickelnden Sympathie. Oh, ihr war nicht entgangen, wie er vorhin reagiert hatte. Sie waren keine Freunde und doch ... Sie konnte nicht anders. Sie lächelte, ein wenig.

Wieder überraschte Notos sie, dieses Mal mit seinem Angebot sie solle bleiben. Bis jetzt war sie sich selbst nicht sicher gewesen, was sie hier tat. Nach ihm sehen, ja. Aber musste, nein wollte sie dafür dauerhaft anwesend bleiben? Er nahm ihr mehr oder weniger die Entscheidung ab. Es fiel ihr schwer, in diesem Moment abzulehnen. Vor allem, da sie wirklich neugierig war, was er bastelte. Und so hatte sie einen Vorwand ihn genau im Auge zu behalten, ohne dass es zu seltsam wurde. Statt richtiger Zustimmung glitt jedoch nur ein unwirsches "Gib mir mal die langen Äste da." hervor. Sie konnte ihm nicht bei seiner Arbeit helfen, aber sie hatte eine Idee, womit sie ihre eigenen Hände beschäftigen konnte.

Der Raum und Nirah selbst versanken in Stille. Sie hantierte mit den Ästen und kleinen Streifen Stoff. Ihr Geist fand so etwas Ähnliches wie Entspannung. Dabei prüfte sie das Holz und nahm nur solche, die noch grün und frisch waren. Sie versuchte sich zurückzuhalten, Notos das Material zu lassen, das er benötigte. Trotzdem genügend zu nehmen, um sich beschäftigt zu halten. Ein hörbares Seufzen entwich ihr, als seine Stimme die Stille irgendwann durchbrach. "Ich meinte damit nicht, dass du dich hier zu Hause fühlen musst, sondern ... ach vergiss es." protestierte sie, ohne recht zu wissen, was sie sagen wollte. Er hatte doch nur gefragt, ob es in Ordnung war, etwas aufzuhängen. Obwohl es nicht sein Heim war. Oder nicht? Aber wie sollte sie das in Worte fassen? Sie war in diesem Eck genauso wenig Zuhause wie er. Wenngleich sie nicht weit davon weg war.

Eine Weile arbeitete sie weiter, zwang einen störrischen Ast in seine neue Form und versuchte ihn nicht abzubrechen. "Sie sind kalt", murmelte sie irgendwann, ohne aufzusehen. Ein langer Moment der Stille folgte. "Es klingt nicht wirr, Notos. Vielleicht ist es keine schlechte Idee. Allerdings wirst du sowieso nicht lange bleiben." kommentierte sie mit einem kühlen Unterton. War es eine Frage oder eine Feststellung? Oder gar ein Vorwurf?
"Und jetzt arbeite einfach." forderte sie ihn auf. Und unterband damit alle belanglosen Plaudereien. Damit verfiel sie wieder ihrem Schweigen, welches sich eigenartig angenehm anfühlte. Angesichts der Tatsache, dass sie es gemeinsam mit Notos verbrachte. Also eher, den Umständen entsprechend angenehm.

Irgendwann verließ sie ihren Platz, nur um das Fenster zu schließen. Die heranwehende Luft kühlte ab. Zu kalt in einem beinahe bewegungslosen Zustand und vor allem für einen Patienten. Ihre Finger begannen zu schmerzen, doch langsam formte sich ein Ring aus dünnen Ästen in ihren Händen. Als alle fixiert waren und an der Stelle ruhten, wo sie hingehörten, widmete sich Nirah neuem Material: Blätter, Gräser, Moos und Blüten. Dieses drapierte sie am unteren Rand des Rings wie einen Strauß aus Grün und Bunt. Als sie zufrieden mit ihrem Werk war, wagte sie einen verstohlenen Blick auf Notos' Tun. Versuchte einzuschätzen, ob er ebenfalls fertig war oder ob sie nun wieder unentschlossen auf ihrem Stuhl hin und her rutschen musste. 


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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 31.10.2022 02:22

Nirah blieb, kam sogar etwas auf ihn zu. Notos wich jedoch keinen Millimeter zurück, verharrte stumm an Ort und Stelle. Ein schwacher Anflug eines wissenden Schmunzelns huschte über seine Züge, als die Heilerin zu sprechen begann. Sie tat also nur ihre Pflicht, ja? Da hatte er heute Morgen noch einen anderen Eindruck gehabt. Er erinnerte sich noch zu gut an die Reaktion seiner Begleiterin, als sie zum ersten Mal seit ihrem Aufeinandertreffen seine richtige, nicht vom weißen Schleier der Blindheit geprägte Augenfarbe sah. Ihr steigendes Interesse an seinem verlängerten Aufenthalt. Die Worte, die sie ihm so oft bei der alleinigen Erwähnung von einem möglichen Abschied wiederholt hatte. Du darfst nicht weggehen. Auf gar keinen Fall. Er unterdrückte die natürliche Reaktion, fragend seine Brauen hochzuziehen. Nein, natürlich entsprang ihre Gastfreundschaft nicht reiner Großzügigkeit. Aber das war ihm von Anfang an bewusst gewesen. War wohl nur verständlich.

Weitaus weniger verständlich empfand er da das offensichtliche Gefühl, abermals von Nirah angestarrt zu werden. Nicht so intensiv wie vorhin am See. Allerdings auf jeden Fall rastlos. Auf der Suche. Er versuchte es so gut wie möglich zu ignorieren. Auch, als die Rothaarige sich erneut einen Schritt näherte, mit ihrer Hand dabei die Stuhllehne in Beschlag nahm, die Distanz zwischen ihnen deutlich verringerte. Jaspers Antwort darauf war schon eindeutiger. Krallen bohrten sich in seine Schulter, als sein Partner sich anspannte, sogar leicht nach vorne lehnte. Als würde er sich notfalls zwischen die beiden Menschen zwängen wollen.

Was jedoch nicht nötig war. Nirah brauchte nur den klaren Befehl zu geben, da ließ Notos auch schon im selben Atemzug von seiner Stütze ab und setzte sich wieder aufs Bett. Ein schwaches, aber dafür umso wärmeres Lächeln stahl sich unbewusst auf seine Lippen. So wie die Heilerin auf dem Stuhl Platz nahm, in einer entspannten Haltung, die Hände ruhig auf dem Schoß abgelegt, erinnerte es ihn sehr an damals. Er konnte sich den Bildern vor seinem inneren Auge kaum erwehren. Bilder aus seiner Kindheit. Das Aussehen der Personen und des Zimmers nur schemenhaft erkennbar, angenagt vom Zahn der Zeit. Dennoch hätte er schwören können, selbst jetzt noch das heitere, kapitulierende Lachen zu hören, welches immer erklungen war, wenn Neela und er es geschafft hatten, ihre Mutter breitzuschlagen. Das liebevolle Necken, welches nie aus ihrer Stimme wegzudenken war. Ihr wollt eine Geschichte zum Einschlafen? Seid ihr nicht schon etwas zu alt dafür? Erzählt hatte sie aber immer. Von in Vergessenheit geratenen Legenden. Ihren eigenen Abenteuern. Es stand mehr als genug zur Auswahl.

Alte Erinnerungen, die wie vom Winde verweht wurden, als Nirah zu sprechen begann. Ihre Antworten erlangten sofort jegliche Aufmerksamkeit von ihm. Auch wenn er an einer Stelle wie bereits bei ihren ersten Erläuterungen zu dieser geheimnisumwitterten heiligen Mutter die Luft einsog. Drauf und dran, der Heilerin zu widersprechen, seine Proteste schlussendlich aber doch lieber schluckte. Der Zwist in seiner Haltung war dennoch klar zu erkennen. Angespannt, die Stirn missmutig gerunzelt, verriet er sich bei einem völlig anderen Satz. Die Stränge des Schicksals. Beinahe wäre ihm ein verächtliches Schnaufen entkommen. Welches sein Mentor mit ihm wohl teilen würde. Bevor er ergeben den Kopf geschüttelt hätte, während eine ungewohnte, sonderbar melancholische Weichheit die sonst so kühle Stimme durchbrach. Nicht alles ist auf eine göttliche Fügung zurückzuführen. Manche Dinge... sind einfach nur Tragödien. Bringen Menschen nichts als Schmerz. Aber geschehen ohne einen guten Grund. Außerhalb unserer Kontrolle. Oder der der Götter.

Schicksal. Ja, er war wahrhaftig kein Freund von diesem Wort. Nirahs Wortwahl und Fortführungen der Geschichte vergrößerten lediglich sein Unbehagen. Es half nicht, dass ihre Beschreibung, wie wichtig die Führung ihrer "Mutter" für sie als Wächterin war, sehr den Fähigkeiten ähnelte, für welche die Wächter der Krone bekannt waren. Notos brauchte daher am Ende nur einen winzigen Moment, um den langen Blick, der auf ihm ruhte, richtig zu deuten. Er verstand es sogar sofort. Die Visionen seiner Begleiterin. Der scheinbar bestehende Zusammenhang zwischen den Augen des Wolfes und der seinen. Die Wichtigkeit, die dieser Umstand für Nirah barg, hatte er heute Morgen ja hautnah miterleben dürfen.

Dennoch hätte die Rothaarige, mit ihrer felsenfesten Überzeugung, ihn am Ende ihrer Erklärungen auch einfach genauso gut ins Gesicht schlagen können. Sie konnte sich sicher sein, dass die heilige Mutter sie auf ihren Pfaden leiten würde. Auch wenn nicht alle Zeichen eindeutig sind...

Hatte er sich in den letzten Momenten kurz verleiten lassen, unwillkürlich das Gesicht zu verziehen, so fing er sich nun schnell wieder. Glättete seine unscheinbaren, harten Züge, wechselte sie für eine weichere Nachdenklichkeit aus. Atmete tief und lautlos aus. Er durfte es nicht vergessen. Nirahs Worte entsprangen nicht purer Ignoranz. Sie konnte es einfach nicht wissen. So, wie ihm das gesamte Bild ebenfalls noch entging. Er musste lernen, bevor er urteilen würde. Diesen Entschluss gefasst, wandte er sich nach einer längeren Zeit des Schweigens wieder an die Heilerin. Ihre überraschende Zurückhaltung spiegelte sich in seinem eigenen, gutmütigen Lächeln wider. „Es würde mich freuen, wenn wir mal ein Gebet zusammen vollführen könnten. Vielleicht ein solches, wegen dem du auch gestern zu dem Monster zurückkehren wolltest? Damit du mir zeigen kannst, wie man es richtig macht", meinte er aufrichtig. Rieb sich dann befangen den Nacken, fügte dabei hektisch hinzu: „Nur, falls es erlaubt ist und dir nichts ausmacht, natürlich."

Seine innere Ruhe, die sich allmählich wieder anzubahnen begann, geriet mit einem Mal abermals heftig ins Wanken. Was verehrst du, wenn nicht unsere Mutter? Notos presste unsicher die Lippen aufeinander, bevor er mit einem gequälten Lächeln den Kopf wegdrehte. Bemüht, Nirahs Blick nicht begegnen zu müssen. „Ich fürchte, was das Verehren von irgendwelchen Gottheiten angeht, wendest du dich nicht ganz an die richtige Person...", presste er schließlich leise heraus. Seufzte laut auf. Und knüpfte schließlich mit deutlichem Widerwillen hadernd an den letzten Satz an. Er wollte nicht. Allerdings... eine Information für eine Information. So lautete seine Devise.

„Ich... nun... mehr als die Macht von einem Gott schätze ich wohl die Macht von Menschen. Freunden. Unseren Gefährten. Den Bindungen zwischen uns. Weil... Menschen und ihre Gefährten mir immer zur Seite standen, als kein Gott es getan hatte." Notos brach abrupt ab. Vollführte eine abwinkende Handbewegung. Lachte dabei leise verhalten auf. Es klang falsch in seinen Ohren. Nicht ehrlich genug. „Aber ich bin da eher die Ausnahme als die Regel. Vergiss einfach, was ich gesagt habe."

Kaum ausgesprochen, befiel Notos im selben Moment noch eine größere Unruhe. Drängte ihn dazu, unbedingt das Thema zu wechseln. Nirahs zusätzlichen Fragen kamen ihm da sehr gelegen – und bugsierten ihn damit allerdings in eine weitere missliche Lage. Nebenwirkungen. Anzeichen von Schwäche. Abermals rief er sich in Erinnerung, dass Nirah eine Heilerin war. Diese Fragen waren normal. Gehörten eigentlich beantwortet. Warum zierte er sich so?

„Mir geht es ganz gut, keine Sorge", rutschte es ihm heraus, bevor er eine bessere Antwort formulieren konnte. Versuchte sich dabei instinktiv an einem beruhigend gemeinten Lächeln. „Habe höchsten ein wenig Kopfschmerzen. Nicht der Rede wert. Und fühle mich seit der Behandlung etwas... rastlos. Allerdings ist das wohl nicht auf etwaige Nebenwirkungen zurückzuführen."

Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich beiläufig über die Brust. Wandte den Kopf ab, mied es erneut, seinem Gegenüber direkt in die Augen zu sehen. Bevor sich das eigenartige Schweigen jedoch wirklich ausbreiten konnte, wurde es unterbrochen von einem Scharren. Dem Klang von langen Krallen, die an hartem Holz entlangfuhren. Jasper hatte inzwischen seinen Platz auf der Schulter seines Gefährten verlassen, war dafür auf den Tisch hochgesprungen. Und fuhr mit einer Pfote ungeduldige Bahnen in der Nähe einer der Tonschüsseln, starrte dabei unentwegt seinen Partner an. Die Schärfe in seinem Blick sprach Bände, ließ keinen Raum für Proteste zu. Der Eintopf in der anderen Schale blieb noch unberührt.

Dieses Mal nahm Notos diese Ablenkung fast schon erleichtert an, verdrehte in gespielter Genervtheit die Augen „Schon gut, ich mach ja schon..." Jedoch verlor er dabei nie den warmen Klang in seiner Stimme. Auch dann nicht, als er erneut das Wort an Nirah richtete, während er die Schüssel zu sich zog. „Es wird zwar nichts Großartiges, aber natürlich kann ich es dir zeigen, wenn es fertig ist. Bei diesem Teil fehlt tatsächlich nicht mehr allzu viel. Du könntest also gerne bleiben, wenn du willst. Oder sogar mitmachen. Material ist genug da", bot er bereitwillig an.

Letzten Endes breitete sich in den nächsten Momenten dann allerdings doch Stille aus. Wenngleich es dieses Mal keine unheilvolle war. Sondern fast schon eine... friedliche Ruhe. Nur unterbrochen von leisen Geräuschen eines Löffels, der ab und an gegen den tönernen Rand der Schüssel traf. Dem Hauch eines Raschelns, als Notos eines der Materialien wieder zu sich zu zog. Jasper, der sich auf seine Portion stürzte, kaum dass er sah, dass sich sein Partner auch wirklich seiner eigenen zuwandte. Wie zuvor brauchte Notos jedoch eine Weile. Aß langsam, als würde das das letzte Essen sein, welches er in den nächsten Tagen zu sich nehmen würde. Erst als die Schüssel geleert war, nahm er erneut Verband und Stöcke in die Hand. Fing an, eine weitere Reihe an Holzstücken jeweils in kleinen Abständen auf ein Band aufzuwickeln. Und begann nach einer Weile von sich aus zu erzählen: „Du meintest vorhin, dass auch ein temporäres Heim ein Heim ist. Damit... stimme ich nicht zu. Ich gehöre nicht hierhin. Und gerade diese Hütten erinnern mich daran. Sie sind kahl. Kalt. Bieten kein Gefühl von Geborgenheit oder einen Ort der Zuflucht. Das einzige nicht völlig Fremde hier ist mein Partner."

Notos setzte ein mattes Lächeln auf. Warf einen Blick in Richtung des noch immer geöffneten Fensters. Ab irgendeinem Zeitpunkt hatte er aufgehört, die kühle Brise wahrzunehmen, die von draußen zu ihnen hineindrang. „Allerdings... entweder könnte ich mich dem Gefühl hingeben. Dass ich mich hier mehr gefangen als frei fühle. Einfach aufgeben und abwarten, dass es irgendwann besser wird. Oder... ich versuche zumindest, etwas daran zu ändern. Und ich habe mir gedacht: Wenn sich dieses temporäre Heim nicht vertraut anfühlt, dann sollte ich vielleicht einfach etwas Vertrautes reinbringen." Ein kleines, gedämpftes Auflachen war zu hören, als Notos sich verhalten an seinen türkisen Ohrring fasste. Dabei nebenbei auch die himmelblaue Blume in seinen Haaren streifte. „Das klingt wie eine wirre Idee, nicht wahr?"



Antworten Zuletzt bearbeitet am 31.10.2022 22:13.

Saphyr

26, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 30.10.2022 01:53

Sie tat einen einzigen Schritt. Ein unerwartetes Stupsen an ihrem Bein ließ Nirah innehalten. Sir Jasper lief so dicht an ihr vorbei, dass er sie berührte. Verwundert folgte sie dem kleinen Wesen mit den Augen. Er hatte sich noch nie derart nahe an sie herangewagt und sie hatte umgekehrt ebenfalls einen Sicherheitsabstand eingehalten. Sie musste lächeln, als er auf direktem Weg Notos' Schulter in Beschlag nahm und sie mit dem üblichen Misstrauen ansah. Natürlich, so schnell änderte sich nichts an ihrer beiderseitigen Vorsicht. Draußen war sie zuerst regelrecht ignoriert worden. Dann erst hatte sie irgendwie eine sichtbare Reaktion hervorgerufen, beinahe an ein Kopfschütteln erinnernd. Nicht zum ersten Mal hatte Nirah sich gefragt, wie viel der menschlichen Sprache Sir Jasper verstand. Die Begegnung hatte ihr jedenfalls klargemacht, dass er deutlich mehr Intelligenz besaß, als sie ihm zugerechnet hatte. Die Geste eben war gerade deshalb ein unmissverständlicher Dank gewesen. Niemals hätte er sie aus Versehen gestreift. Sie schenkte ihm ein knappes, fast unsichtbares Nicken. Immer noch lächelnd. Gern geschehen. So eingängig wie er sie betrachtete, würde er es sicherlich sehen und mit etwas Glück auch verstehen.

Ihre Aufmerksamkeit wanderte von dem faszinierenden Wesen zu seinem deutlich weniger bezaubernden, menschlichen Gegenstück. Welcher gerade dabei war, die Taten seines Partners zu hinterfragen. Was automatisch dazu führte, dass auch Nirah sie hinterfragte. Ja wieso hatte Sir Jasper anscheinend nicht einmal Bescheid gegeben, was er vorhatte? Seine Gesten und Blicke waren doch recht aufschlussreich. Für einen kleinen Moment legte sie nachdenklich den Kopf schief. "Ich komme später wieder." verabschiedete sie sich dann im nächsten Augenblick entschlossen. Um wenigstens nicht komplett wortlos zu verschwinden.
Doch bevor sie sich richtig wegdrehen konnte, überraschte Notos sie mit einer schnellen Bewegung. Warte kurz, Nirah. Sie verharrte augenblicklich. Ihr Gesicht eine Maske aus fragender Ungeduld. Was wollte er von ihr?

Der Ausdruck veränderte sich allerdings von einer Sekunde auf die andere. Das unsichere Schwanken. Die augenscheinliche Schwäche. Das beiläufig wirkende Anlehnen. Ein Anflug von Besorgnis ließ sie die Augen zusammenkneifen. Da war es, das erste Anzeichen, dass der Eingriff Wirkung zeigte. Sofort musterte sie den Krieger genauer. Noch schien es ihm recht gut zu gehen. Auf den ersten Blick, wenigstens. Nicht mehr lange.
Hatte Nirahs Haltung eben noch von Aufbruch und Eile gezeugt, wurde sie nun beherrscht von einer neuen Aufmerksamkeit. Diese war wohl auch der Grund dafür, dass sie scheinbar interessiert einen Schritt auf Notos zumachte. Ihn dabei genau im Auge behielt. "Ich erledige nur meine Pflicht." winkte sie den Dank ab. Womöglich auch etwas mehr als das. "Aber bitte, ich beantworte dir gern deine Fragen." Ihre Stimme klang höflich, fast zuvorkommend. Ihr Geist war allerdings ruhelos, suchte Notos Erscheinung nach weiteren Auffälligkeiten ab, während sie den Fragen lauschte.

Ein protestierendes Schnauben entkam Nirah. Du bist kein Gefangener, sondern ein Gast. Sie kam nicht dazu, das laut auszusprechen. Es ging also wieder um die heilige Mutter? Bevor sie sich großartig wundern konnte, wieso Notos ein solches Interesse daran hatte, übernahm die Wächterin in ihr vollends die Führung. Ging noch einen Schritt nach vorne und legte die Hand an den Stuhl, an welchen Notos sich klammerte. "Setz dich wieder, Donnerschwinge", forderte sie in einem Ton, auf den der alte Weißhaar bestimmt stolz gewesen wäre. Freundlich - nicht zu sehr - und entschieden. Sobald er freigegeben war, zog Nirah den Stuhl zu sich und ließ sich darauf nieder. Zur Hälfte war es ein Vorwand, um Notos zur Ruhe zu zwingen. Zur anderen Hälfte wollte sie ihr Bein schonen. Und sie hatte soeben entschieden, sich etwas mehr Zeit zu lassen. Heute nicht mehr wie eine Getriebene aus dem Raum zu stürmen und ihren Patienten ab sofort mit mehr Umsicht zu behandeln. Zur Sicherheit.

Nirah überschlug die Beine, sah so aus, als mache sie es sich bequem. Ein wenig wie ein Geschichtenerzähler, der jeden Moment begann, über allerlei wundersame Begebenheiten zu sprechen.
"Du kannst der heiligen Mutter danken, wann und wofür auch immer du willst. Sie ist die Erde, die uns versorgt, die Stränge des Schicksals, welches uns leitet. Die Seele und die Magie in allen Dingen. Wenn du das Gefühl hast, du schuldest ihr Dank, tu es. Egal ob für Führung, Schutz oder Nahrung." begann sie mit ihrer Erklärung. Da Notos allerdings vorher noch nie von ihr gehört hatte, bezweifelte Nirah, dass er spontan den Drang verspüren würde, Gebete oder Opfergaben an sie zu richten.
"Wenn du ein Leben nimmst, gehört es sich natürlich. Auch, wenn du irgendeinen anderen Schaden verursachen musst. Das habe ich ja bereits erwähnt." fügte sie noch nachdrücklich hinzu. "Für mich und ... eigentlich auch Wächter im Allgemeinen spielt ihre Führung eine größere Rolle. Visionen, Träume, Eingebungen, Kontakt zur Umgebung und ihrer Vergangenheit. Geistern. Das sind die Dinge, die den meisten anderen verwehrt bleiben. Ich selbst konnte immer auf meine Wahrnehmung, meine Intuition vertrauen. Sicher sein, dass ich auf meinem Pfad geleitet werde. Auch wenn ... " Nirah stockte kurz und sah einen langen Moment die blauen Augen vor ihr an. "... auch wenn nicht alle Zeichen eindeutig sind." beendete sie ihren Satz leiser. "Dafür bin ich dankbar." Ihre Stimme klang fest, unerschütterlich in ihrem Glauben.

Sie holte Luft und betrachtete den Mann vor ihr mit einer leichten Zurückhaltung. Klang es für ihn abwegig, gar absurd, was sie erzählte? Das, was der Kern ihres Lebens war. Was sie von klein auf begleitet und geformt hatte. Was so selbstverständlich war wie atmen. Wahrscheinlich ja. Aber er hatte gefragt und was für eine Wächterin wäre sie, den Neugierigen die Auskunft zu verwehren. Selbst wenn jene, niemals ihre Lebensweise aufnehmen, verstehen würden. Niemals Teil ihrer Gesellschaft werden würden. 
Je nachdem wie lange er blieb, hätte er allerdings noch die Chance einen wichtigen Gemeinschaftsritus aus erster Hand zu erleben. Die Verabschiedung des Sommers, die Vorbereitung des Winters. Der Tag, an dem Licht und Dunkelheit im Gleichgewicht waren, bevor das Dunkle dominierte. Falls er blieb. Noch immer war unklar, welche Rolle er spielte. Es wird sich zeigen, sobald seine Heilung abgeschlossen ist, redete Nirah sich ein.

Ein weiteres Mal beäugte sie Notos' Basteleien. Unwillkürlich beugte sie sich nach vorne, um es genauer ansehen zu können. Nun schlich sich endlich so etwas wie ein vages Verständnis ein. Es erinnerte sie am ehesten an die Symbole, die manche Familien zum Schutz platzierten. "Du willst das aufhängen?", fragte sie und deutete auf die von Verbänden zusammengehaltenen Ästen. "Ich denke, es spricht nichts dagegen. Auch ein temporäres Heim ist ein Heim." entschied sie. "Aber ... ich bin mir immernoch nicht sicher, was das wird. Es erinnert mich an etwas, scheint aber doch anders zu sein. Ist es ein Zeichen für deine.... ich meine ... was verehrst du, wenn nicht unsere Mutter?" Ein Unterton von Unverständnis schlich sich in ihre Worte. Aber auch von Neugier. "Darf ich es sehen, wenn es fertig ist?" 

Im selben Augenblick wurde ihr Blick streng, als sie sich daran erinnerte, warum sie noch hier war. "Nicht, dass du heute noch allzu lange daran sitzen solltest ... wirst. Wie fühlst du dich? Hast du bereits irgendwelche Anzeichen von Unwohlsein? Hitze, Kälte? Herzpochen oder Schmerzen?" hakte sie geradeheraus nach. Alles Beobachten half nichts, wenn die Symptome mit dem Auge noch schwer zu erkennen waren. Ein wenig Kooperation würde die Sache einfacher machen. 


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